Nach heftigen Kontoversen mit ihrer Kasse hat die schwerbehinderte Würzburgerin Sieglinde Park nun endlich einen Elektrorollstuhl, der auf ihre Bedürfnisse angepasst werden kann. Sechs Jahre musste sie darum kämpfen. Erst durch verschiedene Medienberichte - auch des Evangelischen Pressedienstes epd im vergangenen Oktober - und dem Engagement von Peter Stumm vom Landesverband Bayern der Selbsthilfe Körperbehinderter sei es gelungen, die Kasse zum Einlenken zu bewegen, ist Sieglinde Park überzeugt. Die Krankenkasse hatte sie mit einem ungeeigneten Billigrollstuhl abspeisen wollen.

Ihr alter Rollstuhl hätte jederzeit vollends zusammenbrechen können. "Wir haben ihn mehrmals notdürftig geflickt, es ist ein Wunder, dass er überhaupt so lange durchhielt", sagt Sieglinde Parks langjähriger Rollstuhltechniker, der nicht namentlich genannt werden will. Sein Chef, Orthopädietechnikermeister Marcus Scheder, bestätigt, dass der alte Rollstuhl in keiner Weise mehr verkehrssicher war. Dass sich die Kasse sechs Jahre lang geweigert hatte, einen gleichwertigen Ersatz zu finanzieren, wundert ihn nicht: "Wir sehen bei unseren Kunden, dass der beantragte Rollstuhl in mindestens jedem zweiten Fall abgelehnt wird." Ein anderer Kunde kämpfe inzwischen seit acht Jahren.

Dass Sieglinde Park so lange warten musste, lag auch an einer nicht mehr legalen Praxis: Parks Krankenkasse hatte mit einem Sanitätshaus in Nordrhein-Westfahlen, das Billigstpreise zusicherte, einen exklusiven Hilfsmittelvertrag abgeschlossen. Kundin dieses Sanitätsgeschäfts zu werden, war für Park inakzeptabel, denn es hätte bedeutet, dass sie bei jeder Reparatur lange hätte warten müssen, bis ein Techniker aus Nordrhein-Westfahlen nach Würzburg gekommen wäre. Dem neuen "Hilfsmittelausschreibungs-Verbot" zufolge dürfen Kassen keine Hilfsmittelverträge mehr mit Sanitätshäusern schließen. Das Gesetz trat im Mai 2019 in Kraft und ist seit November wirksam.

Bei schweren Behinderungen müssen Rollstühle exakt auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten angepasst werden.

Sieglinde Park, die erst am Dienstag dieser Woche das "Rohmodell" ihres neuen Rollstuhls erstmals in der Werkstatt ihres Würzburger Sanitätshauses in Augenschein nehmen durfte, wurde beim Besuch eine Stunde lang "ausgemessen", damit später alles passt. Vor allem die Rückenlehne und der Sitz müssen, was Form und Material betrifft, so gestaltet sein, als wären sie ein Körperteil der 59-Jährigen, die an einer schweren Form von Elefantiasis erkrankt ist. "Geschieht das nicht, kann es zu Druckgeschwüren kommen", erklärt Parks Rollstuhltechniker.

Von ihrer mageren Erwerbsunfähigkeitsrente könnte sich Park selbst unmöglich einen angepassten Elektrorollstuhl leisten. Sie lebt auf Hartz IV-Niveau. "Und das hier ist ein hochpreisiges Hilfsmittel", sagt Marcus Scheder. Mindestens eine Woche lang wird der Rollstuhl in der Werkstatt sein, um alles auf Parks Maße anzupassen. "Dann kann Frau Park ihn probeweise fahren", erläutert ihr Rollstuhltechniker. In der Regel muss danach feinjustiert werden. Wahrscheinlich wird es Anfang März werden, bis Sieglinde Park endlich wieder mobil ist.

Die 59-Jährige ist froh, dass nun ein gewaltiges Hindernis aus dem Weg geräumt ist und sie wieder frei leben kann. Doch es bleibt ein bitterer Nachgeschmack. Die Kasse habe sich mit keinem Satz entschuldigt, dass sie sechs Jahre in ihrer Wohnung so gut wie gefangen war und viel Kraft in den Kampf um einen angepassten Rollstuhl investieren musste, sagt sie. Eine Begründung, warum der Rollstuhl im Dezember 2019 plötzlich genehmigt wurde, gebe es nicht. Auch Marcus Scheder erhielt am 13. Dezember lediglich ein lapidares Fax. "Für unsere/n o. g. Versicherten liegt uns eine Hilfsmittelverordnung vor", heißt es darin: "Wir bitten Sie um Zusendung eines Kostenvoranschlags."

Der bedarfsgerechte Rollstuhl schenkt wieder die lang ersehnte Mobilität

Sechs Jahre konnte Sieglinde Park nirgends mehr spontan auf eigene Faust hingehen. Zu groß war die Angst, irgendwo hilflos mit dem alten Rollstuhl liegenzubleiben. Nun hat sie vor, alles nachzuholen, worauf sie verzichten musste. "Meine beste Freundin ist nach Lübeck gezogen, die kann ich endlich besuchen", sagt sie. Auch kann sie nun wieder an den Veranstaltungen der Offenen Behindertenarbeit des Diakonie Würzburg teilnehmen. Außerdem will sie endlich wieder Tagesausflüge mit ihrem Mann Stan unternehmen: "Ich freue mich so sehr darauf, wieder einmal in den Zoo nach Stuttgart zu fahren."

In einigen Jahren, hofft sie, wird Gras über das alles gewachsen sein. Doch möglicherweise wird dann der Kampf von neuem losgehen. Denn die Lebenszeit eines Elektrorollstuhl beträgt im Durchschnitt zehn Jahre. Gerade wenn man, wie Sieglinde Park, sehr viel unterwegs ist, kann der E-Rolli noch eher verschleißen. Ähnlich wie ein paar Schuhe. Selbst richtig teure halten schließlich nicht ewig.