Dass Friede jenseits von Jubiläen oder konkreten Anlässen immer aktuell ist und auch auf ungewöhnlichen Wegen ins Gedächtnis gerufen werden kann, zeigt im Nürnberger Friedensmuseum derzeit die Ausstellung "Hiroshima mahnt - auch heute!". Und man trifft hier häufig Wolfgang Nick, ein Mann der ersten Stunde.

In den beiden Räumen im 60er-Jahre-Gebäude der Nürnberger Kaulbachstraße waren früher mal ein Tante-Emma-Laden, eine Fahrschule und ein Versicherungsbüro untergebracht. Nichts hier ist so, wie man es von einem Museum erwartet. Wenn gerade keine Sonderausstellungen stattfinden und Exponate ausgestellt werden, wird in erster Linie die Friedensbewegung in Nürnberg nach dem Zweiten Weltkrieg bis heute dokumentiert – mit alten Spruchbannern, Plakaten von Aufrufen zu Ostermärschen oder auch einer selbst gebastelten Atomrakete. "Wir verstehen uns vor allem als Ort, an dem man über den Frieden sprechen kann. Auch für Touristen, die in Nürnberg auf der Suche nach Gleichgesinnten sind", sagt Wolfgang Nick, der seit den Anfängen des Museums im Jahr 1998 Mitglied im Verein ist, der das Museum trägt.

Damals für Bildung demonstriert

Der Physiker ist mittlerweile im Ruhestand und widmet sich seither nun noch ausführlicher den Themen im Museum, was sich im aktuellen Veranstaltungsprogramm beispielsweise in einem Erlebnisbericht über eine Protestaktion von Menschen aus dem Raum Nürnberg am Atomwaffenstützpunkt in Büchel oder historischen Vorträgen über die Atomtests im Südpazifik in den 50er-Jahren findet. In der Friedensbewegung sozialisiert habe er sich erst in den 80er-Jahren, sagt der 66-Jährige. Damals gingen viele Menschen gegen die atomare Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf oder für Abrüstung der Mächte des Kalten Krieges auf die Straße. Für die 68er-Studentenbewegung sei er damals noch ein bisschen zu jung gewesen. Immerhin stand er als Abiturient 1969 erstmals mit einem Schild bei einer Demo, auf dem "Mehr Mittel für Bildung" gefordert wurde. "Heute demonstrieren Schüler für das Klima, absichtlich während ihrer Schulzeit", schmunzelt Nick. Aber auch wenn die Schülerproteste vor 50 Jahren und heute unterschiedliche Ziele haben - der Grundgedanke, also die Hoffnung auf eine bessere Welt, sei der gleiche.

Aus dem reichhaltigen Museumsarchiv, das teils auch im Pellerhaus untergebracht ist, haben Nick und seine Mitstreiter nun ein Dutzend Drucke von Plakaten des japanischen Künstlers Osamu Kataoka herausgefischt und an den Wänden im Museum verteilt. Kataoka war als 13-Jähriger beim Atombombenabwurf auf Hiroshima am 6. August 1945 mit dabei und überlebte das Inferno nur durch ein Wunder. In rund 100 Arbeiten hat er sich bis zu seinem Lebensende 1997 immer wieder mit dem Erlebten auseinandergesetzt und seine Kunst dem Friedensgedanken gewidmet. In einem Schaukasten findet man jede Menge Literatur über Hiroshima und Nagasaki - von Bildbänden mit raren Fotos über Geschichtsbücher, Romane und auch "Das Mädchen von Hiroshima", ein Kinderbuch der japanischen Malerin Maruki Toshi, das man den Kleinen besser nicht vor dem Schlafengehen zeigen sollte. Aber eben auch eine künstlerische Verarbeitung des Wahnsinns der Atombombe.

Friedensbewegung seit über 100 Jahren

Bücher sind ohnehin ein integraler Bestandteil des Museums. Im Nebenraum kann man sich einen Schmöker aus der Regalwand ziehen, der eine Facette der über hundertjährigen Geschichte der Friedensbewegung zeigt. Diese ist auch in einer Postkarten- und Bildersammlung dokumentiert. Nick zieht eine Fotografie aus dem Jahr 1915 heraus, die Friedensaktivisten bei einer Aktion in den Niederlanden zeigt. "Mitten im Ersten Weltkrieg", staunt er. Die Bücher kann sich jedermann auch ausleihen - ganz analog: Name und Ausleihdatum werden handschriftlich notiert, an die Stelle, an der das Buch normalerweise steht, kommt ein Zettel. Einziges digitales Element im Friedensmuseum ist ein Bildschirm, auf dem man sich durch eine Bildergalerie von Stücken aus dem Archiv klicken kann.

Ein Bewusstsein für den Frieden zu entwickeln, sei zwar immer wichtig, gerade jetzt aber dringender als vielleicht noch vor wenigen Jahren. Beispiele: Nordkorea und die USA zündeln wieder mit der Angst vor einem atomaren Schlag. Und die USA haben Russland den INF-Vertrag zum Verzicht atomarer Mittelstreckenraketen gekündigt. "Friede, das bedeutet auch Arbeit", meint Wolfgang Nick. Und was sei schon immer so gewesen.

 

Die Ausstellung "Hiroshima mahnt - auch heute!" ist noch bis zum 9. August zu sehen. Mehr unter www.friedensmuseum.odn.de.