Anne Mäusbacher aus Nürnberg und ihre Familie verbringen ihre freie Zeit am liebsten am Wasser und die Urlaube am Meer. An vielen Stränden erleben sie, welche Plastikverschmutzung inzwischen die Meere und damit das gesamte Ökosystem bedroht. Anne Mäusbacher hat deshalb die "Beachcleaner" (Strandreiniger) gegründet. Sie hat eine fünfmonatige Ausbildung beim "UN Environmental Program" über Meeresmüll gemacht. Die Pazifik-Informationsstelle von Mission EineWelt (Neuendettelsau) hat jetzt ihr Lernprogramm zum Thema Müll und Meer "Kids for the ocean" als Buch herausgebracht.

Frau Mäusbacher, seit wann sind Sie denn Beachcleanerin? Eine ungewöhnliche Aufgabe!

Anne Mäusbacher: Wir waren im Familienurlaub im Jahr 2015 schon auf Ibiza und wir haben die Plastikteile bemerkt, die uns im Wasser entgegenschwammen. Und so haben wir eben mit dem Kescher unseres Sohnes versucht, die ganzen Plastikteile rauszuschöpfen und unsere Aktion hat sich dann auf den Strand ausgeweitet, so ist letztendlich auch der Begriff "Beachcleaner" über Nacht entstanden.

War das dann so viel oder ist Ihnen der Geduldsfaden gerissen, dass sie gesagt haben: Jetzt mach ich was?

Mäusbacher: Das war damals schon sehr viel. Also, erstens im Wasser ist uns eine größere Plastikplane entgegengeschwommen, die hat sich dann noch zerkleinert im Wasser. Und mich hat damals einfach gestört, dass viele Touristen und auch noch Einheimische sich nicht gestört haben. Die haben sogar die Teile wieder zurückgeworfen ins Wasser. Ich wollte einfach die Leute anstecken und aus ihrem Liegestuhl hochreißen, vielleicht einen halbe Stunde am Tag den Müll aufzusammeln. Denn das Meer spuckt jetzt alles wieder zurück.

Wahrscheinlich waren die anderen Strandbenutzer da sehr begeistert, dass sie gesagt haben: Komm wir räumen jetzt auf?

Mäusbacher: Also angefangen hat es natürlich so, dass keiner mitgeholfen hat. Hier in Nürnberg kennen uns schon ein paar mehr Leute, wir haben hier Anhänger und Freiwillige. Im Ausland allerdings ist es sehr schwierig. Aber auch da bekommen wir schon ab und an ein Dankeschön.

Wo haben Sie denn schon überall Beach gecleant und was haben Sie da gefunden?

Mäusbacher: Also wir waren von den Malediven bis über Sylt, am Atlantik und an der Mittelmeerküste. Wir haben auch Fahrräder gefunden, Ölkanister, sehr viel Einweggeschirr, Strohhalme, Zigarettenkippen.

Als Taucherin sehen Sie mehr vom Meer als die meisten Urlauber - ist es da draußen ein bisschen sauberer, netter und aufgeräumter?

Mäusbacher: Ich habe vor zwölf Jahren mein erstes "Riff-Cleanup" mitgemacht. Damals gab es noch sehr wenig Umweltverschmutzung. Aber bis heute hat sich der Zustand sehr verschlechtert. Wir haben auf den Malediven größere Teile am Meeresgrund gesehen: Von der Strandliege bis zu Handyhüllen, sehr viele Plastikflaschen, aber auch Autoreifen werden ja illegal entsorgt.

Anne  Mäusbacher mit Familie
Anne Mäusbacher und ihre Familie

Die Meere werden als Müllkippe benutzt. Ist das jetzt ein Trend, weil wir mehr Müll haben, weil wir jetzt Plastik haben? Früher hat man auch immer alles ins Meer geschmissen.

Mäusbacher: Ja, der Plastikmüll hat drastisch zugenommen. Seit 2005 geht er stark nach oben auch in Entwicklungsländern oder Ländern, die einen großen Aufschwung erleben wie China. Das ist ein großes Problem, denn dort wird unser Plastikmüll produziert und dorthin schicken wir ihn auch wieder zurück. Aber Vieles landet auf dem Transportweg über Containerschiffe direkt im Meer, wird dort illegal entsorgt. Diese Länder - ob das China ist, Thailand oder Vietnam - laufen über mit unserem Müll.

Von welchem Umfang reden wir denn, eine Plastiktüte im Meer ist doch nicht das Problem, oder?

Mäusbacher: Es gibt eine erschreckend hohe Zahl. Jede Minute geht ungefähr eine LKW-Landung Müll ins Meer.

Und was sind die Folgen? Was passiert mit dem Plastik im Meer?

Mäusbacher: Das bleibt da die nächsten Jahrhunderte und es wird von den Fischen aufgenommen und gerät in unsere Nahrungskette. Aber auch die Muschel, der Filter der Meere, hat schon Plastik in sich.

Klingt so, als müsste man am System grundsätzlich was ändern - derzeit wird ja in Deutschland der Gelbe Sack verhandelt - und es geht überhaupt darum, dass Deutschland, obwohl wir uns als Recycling-Weltmeister führen, in Europa Müllmeister ist. Was müsste sich denn ändern?

Mäusbacher: Das Verbraucherverhalten müsste sich von Anfang an verändern. Das heißt: unverpackt einkaufen, Alternativen zu Polyester- und anderer Kunstfaserbekleidung suchen, und einfach weniger konsumieren. Unsere Familie kauft jetzt sehr viel weniger Dinge ein, wir nutzen die Dinge länger, geben sie weiter, kaufen Secondhand ein. Da kann man schon einen Beitrag leisten.

Für alle, die jetzt in Urlaub fahren oder daheim noch Urlaub haben: Was kann ich im Urlaub denn tun, wie kann man professioneller Beachcleaner werden?

Mäusbacher: Man kann, egal wo man hinfährt, im Urlaub oder in die Arbeit, seine eigene Trinkflasche von daheim mitnehmen. Und man sollte Müll, den man an den Strand mitnimmt, wieder nach Haus bringen und nicht dort in die kleinen Mülleimer stopft. Man kann auch selbst an einer Reinigungsaktion teilnehmen oder eine organisieren. Den herumfliegenden Müll einsammeln, egal, von wem er stammt.

Und Ihr nächster Urlaub, was passiert da?

Mäusbacher: Wir werden wieder an die Küste fahren, diesmal in die Niederlande. Dort finden ganz viele Beach-clean-up-Aktionen statt. Und dort hängen wir uns an einen ganz großen Clean-up mit dran. Wir opfern zwei Tage von unserem Urlaub. Das geht immer nur zwei Stunden am Tag. Man lernt tolle neue Leute kennen, auch Einheimische, und leistet einen wertvollen Beitrag.

Plastikmüll in den Meeren

Ozeane bedecken drei Viertel der Erdoberfläche. Laut der Welt-Natur-Stiftung (WWF) schwimmen in jedem Quadratkilometer der Meere hunderttausende Teile Plastikmüll. Man schätzt, dass jährlich 4,8 bis 12,7 Millionen Tonnen Plastik in die Meere geraten. Neben Plastik aus der Schifffahrt oder dem Fischfang wird hauptsächlich Plastik von Land aus über Flüsse in die Meere getragen oder vom Wind dort hin geweht. Ein geringer Teil des Plastikmülls schwimmt auf der Oberfläche der Meere, der Rest wird in tiefere Gewässer oder auf den Meeresboden gezogen, wo sich inzwischen etwa 80 Millionen Tonnen angesammelt haben sollen, die schwer wieder zurückzuholen sind. 75 Prozent des Mülls, der an den Stränden angespült wird, ist Plastikmüll.

Bis zur völligen Zersetzung von Plastik können 350 bis 400 Jahre vergehen. Das Plastik gefährdet Tiere. Jährlich sterben wohl eine Millionen Vögel und 100.000 Meerestiere an gefressenem Plastikmüll. Er kann aber über die Nahrungskette auch die Gesundheit der Menschen beeinträchtigen.

Besonders problematisch ist hier das Mikroplastik, sowohl für Tiere als auch Menschen. Mikroplastik ist in Kosmetik, zum Beispiel in Zahnpasta, und kann über Kläranlagen nicht aus dem Abwasser gefiltert werden. Aus synthetischer Kleidung gelangen Faserteile über das Waschmaschinenabwasser in die Flüsse und Meere.

Der WWF nennt als bedeutende Ursachen für Plastikmüll in den Ozeanen die massenhafte Verbreitung von Einwegplastik und die fehlenden Strukturen zum Sammeln und zur Weiterverarbeitung von Abfällen.