Rüdiger Glufke (45) ist der neue Militärpfarrer in der Nordgau-Kaserne in Cham. Der gebürtige Landshuter trat seinen Dienst bereits am 1. April 2019 "auf Probe" an. Seit Juni sitzt er fest im Sattel und wird am 11. September von Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm ins Amt eingeführt, dessen persönlicher Referent Glufke zehn Jahre lang war.

Herr Glufke, was reizt Sie an Ihrer neuen Aufgabe?

Rüdiger Glufke: Die Möglichkeit, mit Menschen in Kontakt zu treten, die vielfach keinen christlichen oder kirchlichen Hintergrund mitbringen, jedoch die gleichen Lebensfragen haben wie jeder andere, macht mir große Freude. Die Gespräche erlebe ich als sehr tiefgründig. Beim Austausch mit Soldatinnen und Soldaten, die im Auslandseinsatz waren oder kurz davor stehen, wird das besonders deutlich. Ich stelle fest, dass die Frage der "kritischen Solidarität" in der Militärseelsorge eine große Rolle spielt. Das heißt, die richtige Relation zu finden zwischen der absoluten Solidarität zu den Menschen und in gewissem Grad auch zum System, gleichzeitig aber auch immer wieder der Stachel im Fleisch zu sein, wenn einem Entwicklungen auffallen, die nicht optimal laufen. Das ist unglaublich spannend, weil man als Militärpfarrer keiner Hierarchie innerhalb der Bundeswehr angehört, sondern zwischen den verschiedenen Dienstgraden vermitteln kann, wenn es Schwierigkeiten gibt - selbst zwischen einem Gefreiten und dem Kommandeur. Da merke ich, welch wichtige Kommunikations- und Scharnierfunktion Militärgeistliche übernehmen. 

Warum sollte ein Militärpfarrer ein kritischer Kopf sein?

Glufke: Es tut jedem System gut, jemanden zu haben, der eine Sicht auf die Dinge einnimmt, die eine Organisation oder ein System im Laufe der Zeit vielleicht verlieren können. In der Militärseelsorge stehen einem dabei viele Möglichkeiten offen, ohne die üblichen hierarchischen Wege einhalten zu müssen, beispielsweise zum Kommandeur zu gehen und ihm zu sagen: 'Hier läuft etwas schief.' Das ist ein großer Mehrwert im Vergleich zu sonstigen Systemen, in welchen man eine klar definierte Funktion hat und über diese Funktion hinaus wenig Möglichkeiten bestehen, etwas zu verändern oder zu verbessern.

Was brauchen Soldatinnen und Soldaten heutzutage am dringendsten?

Glufke: Ein offenes Ohr, wenn es zu Situationen kommt, die schwierig sind. Das fängt schon bei Urlaubsanträgen an, wenn sie nicht genehmigt werden. Das klingt zunächst trivial, kann sich aber im Gespräch als problematisch herausstellen. Wenn ein Soldat aus dem Auslandseinsatz zurückkommt und merkt, die Familie braucht dringend Zeit mit ihm. Wenn er sich diese Zeit für die Familie nicht nimmt, könnte alles zusammenbrechen. Da gilt es zu vermitteln. Und ich habe es erlebt, dass man dann auf offene Ohren stößt und tatsächlich etwas bewirken kann - im Sinne der betroffenen Soldaten.