Die Schlange ist lang, die Menschen darin aber sehr diszipliniert. Von der Sebalduskirche über den Kirchplatz bis hinter das "eckstein" hin zum Fenster im Ellenbogengässchen, von wo aus zwei Mitarbeiter die Tüten mit Brötchen, Wurst, Käse, Getränken und etwas Süßem herab reichen, stehen sie, wie jeden Freitagvormittag, in Reih und Glied: Nicht nur die Nürnberger Obdachlosen, auch eine ganze Menge anderer Menschen, die sich aus verschiedensten Gründen hier einreihen.

Da sind welche, die mit knapper Rente und hoher Miete leben und jeden Cent zweimal herumdrehen, Alte, Kranke und von der Gesellschaft an den Rand Gedrückte und seit den coronabedingten Einschränkungen des öffentlichen Lebens auch viele Selbstständige aus Kultur und Gastronomie.

Würde bewahren in der Schlange

"Hier steht keiner an, weil es was umsonst gibt", sagt Ute Kollewe. Die Diakonin der Sebalder Gemeinde ist die einzige Hauptamtliche, die seit 17 Jahren das Nürnberger Obdachlosenfrühstück als ökumenische Initiative der Nürnberger Kirchengemeinden St. Sebald, St. Martha, St. Egidien, Unsere Liebe Frau und St. Elisabeth koordiniert.

16 der rund 110 Helfer im "Pool" sind auch an diesem Freitag im Einsatz, packen im großen Saal des "eckstein" die Tüten, koordinieren die Ausgabe, sind Ordner beim Anstehen oder schenken Tee und Kaffee aus. Den hat Ute Kollewe schon meist ab 4 Uhr angefangen zu kochen.

Ab zirka 9 Uhr gibtt es dann erst was Heißes, die Tütenausgabe findet von 10 bis 11 Uhr statt. "Wir müssen irgendwann mal Schluss machen, sonst stehen wir bis zum Abend da", meint Kollewe. Aber jeder, der sich anstellt, kriegt garantiert sein Päckchen.

Helferin Ilka Ziemann zeigt, was alles diesmal drinnen ist: eine Tüte Brötchen, eine Banane, Gurke, Orange, Paprika, Eier, Quark und abgepackte Wurst nebst Schokolade, einer Flasche Mineralwasser und einer mit Orangensaft. "Es kommen zwar immer wieder Spenden rein, das meiste kaufen wir aber im Supermarkt. Unsere Gäste erhalten nur gute Ware, wie wir sie auch essen würden", erklärt sie.

Theo Grundlacher trägt die Tüten zwei Etagen weiter nach oben, wo den Ausgebern, die jede Tüte mithilfe eines Seils an der Hauswand zu den wartenden Bedürftigen herablassen, schon langsam die Arme lang werden. "Heute bin ich für die Beförderung der Tüten eingeteilt, das nächste Mal mache ich was anderes – wo ich eben gebraucht werde", meint er.

Mancher hatte einen Genickschlag zu viel

Das Team gut zu führen und auch bei Laune zu halten, das ist wiederum eine der Aufgaben von Ute Kollewe. Die Haltung den Menschen gegenüber, die zum Obdachlosenfrühstück kommen, ob "to go" oder irgendwann wieder einmal wieder mal in den wechselnden Gemeinderäumen, ist wichtig.

"Das sind Leute wie Du und ich, sie haben eine Würde, und wir wollen sie auch so behandeln", erklärt Kollewe.

Mancher habe in seinem Leben einmal einen Genickschlag zu viel abbekommen und stehe dann einfach nicht mehr auf.

In der Regel müssten die Kirchengemeinden rund 1000 Euro zuschießen, um die Lebensmittel für das Obdachlosenfrühstück zu beschaffen. An Heiligabend wird es wohl der doppelte Betrag sein, weil es eben auch doppelt so viele Menschen werden. Nicht zuletzt, weil in St. Jakob, wo normalerweise ebenfalls am 24. Dezember gefeiert wird, aus coronabedingten Platzgründen dies heuer nicht möglich ist.

Im eckstein soll es diesmal für die Gäste auch eine warme Mahlzeit mit Mitnehmen für den Abend zusätzlich geben. Spenden sind jederzeit nicht nur willkommen, sondern auch bitter nötig. Doch es gibt auch hier Lichtblicke. "Neulich hat mir ein sieben Jahre altes Mädchen sechs Euro von ihrem Taschengeld gegeben. Ist das nicht süß?", erinnert sich Kollewe.

Und wann wird’s bei ihr Heiligabend? "Meistens erst am zweiten Feiertag", sagt sie. Denn der 25. Dezember ist in diesem Jahr auch wieder ein Freitag. Und auch dann werden Ute Kollewe und ihr Team wieder den Menschen in der Schlange Tüten packen.

So funktioniert das Obdachlosenfrühstück to go

Jeden Freitag von 10 bis 11 Uhr im Innenhof des Nürnberger "eckstein". Benötigt werden Getränkespenden (Wasser, Softdrinks, kein Alkohol), 0,5L im Sechserpack, sowie stabile Tragetaschen aus recyceltem Plastik.

Bei Lebensmittel- und Sachspenden gibt es Info bei ute.kollewe@elkb.de / Tel: 0911-214 2520. Für Geldspenden: Kirchengemeinde St. Sebald, IBAN DE47 5206 0410 0001 5711 41 // Betreff "OLF to go"

Diakonin Ute Kollewe organisiert das Obdachlosenfrühstück in Nürnberg.