In Tansania kommen auf 100.000 Lebendgeburten 556 tote Frauen. Schlechte Vorsorge in der Schwangerschaft, mangelnde Hygiene bei der Entbindung oder überhaupt kein Zugang zu geburtshilflicher Versorgung zählen zu den Gründen der hohen Müttersterblichkeit. Die meisten Frauen entbinden zu Hause. Gibt es Komplikationen, erreichen die Niederkommenden ein Krankenhaus viel zu spät oder gar nicht. Sie verbluten – zum Beispiel an einer sich nicht ablösenden Plazenta.

Vor knapp zehn Jahren hatte das tansanische Gesundheitsministerium das „OnePlan“-Programm gestartet. Eines der Ziele: Die Zahl der Mütter, die während oder kurz nach der Entbindung sterben, bis zum Jahr 2015 auf 193 zu senken.

Das ist nicht gelungen. Mittlerweile ist man weniger ehrgeizig. Das Ziel des neuen Programms, das bis 2020 läuft: 292 tote Frauen bei 100.000 Lebendgeburten.

Die Neugeborenen der toten Frauen werden zu Waisen. Im ganzen Land leben 31.555 Waisenkinder, mehr als 10.000 davon sind unter vier Jahren alt.

Sie kommen ins Heim, denn kaum eine tansanische Familie kann selbst die Versorgung des Babys übernehmen. Milchpulver ist teuer. „Es gibt unzählige Einrichtungen wie unseres, Waisenhäuser. Allein hier in der Gegend um den Mount Meru sind es sicher über 100 Waisenhäuser“, sagt Mama Pendo. Sie leitet seit 29 Jahren ein Waisenhaus in Nkoaranga, gelesen an den Hängen des Meru-Berges im Norden Tansanias.

„Die meisten unserer Kinder kommen von Frauen, die unter der Geburt gestorben sind. Viele haben noch Väter oder andere Verwandte. Aber die können die Neugeborenen nicht betreuen. Weil sie noch andere, ältere Kinder haben und den ganzen Tag arbeiten müssen um Geld für die Familie zu verdienen, zum Beispiel. Außerdem ist Milchpulver teuer und man bekommt es auch nicht überall. Im Waisenheim haben wir Milchpulver, Kleidung, Betten und Spielzeug für die Babys. Wir sind hier um die 15 Mitarbeiterinnen und ein bis zwei Volunteers. Das sind junge Frauen, zum Beispiel aus Deutschland, die ein freiwilliges soziales Jahr bei uns absolvieren.

Wir betreuen hier 25 Kinder bis zum Alter von vier Jahren. Unser jüngstes Baby ist nur zwei Wochen alt. Sie heißt Neema. Die Kinder werden von den Behörden zu uns gebracht, vergleichbar mit dem Einwohnermeldeamt.

Wir bekommen vom Staat die Fürsorge übertragen, aber sonst keine Mittel, kein Geld, kein Essen. Unser Waisenhaus wird von der Evangelisch-Lutherischen Kirche finanziert. Eigentlich soll ein Baby, das bei uns aufwächst, nach zwei Jahren in seine Familie zurückkehren. So sieht es der tansanische Staat vor. Aber auch wenn die Kinder dann aus dem Fläschchen-Alter raus sind, ist es sehr oft nicht möglich, dass die Familien sie wieder aufnehmen. Wir besuchen die Familien der Kleinen und prüfen, ob die Strukturen gut genug sind, um sie dort in Obhut zu geben. Ob da jemand ist, der sich kümmern kann – und kümmern will. Es ist zum Beispiel leider nicht immer üblich, dass die neue Partnerin eines Witwers Kinder aus der ersten Ehe annimmt. Deshalb haben wir auch viele Kinder, die älter als zwei Jahre sind. Die ältesten hier sind viereinhalb.

Das hier ist Judith. Sie ist drei Monate alt. Unsere Freiwilligendienst-Leistende Pauline hält sie auf dem Arm. Judiths Mutter starb an der Geburt. Sie hatte eine Plazenta-Ablösung, und verblutete auf dem Weg ins Krankenhaus. Judiths Vater hat noch ein älteres Kind, um das er sich kümmern muss. Aber er besucht Judith regelmäßig.

Wir versuchen, den Kontakt zu den Familien zu halten, während die Kinder bei uns aufwachsen. So gut es eben geht. Väter oder andere Verwandte kommen alle paar Wochen zu Besuch, wenn sie die Möglichkeit haben. Für viele Familien ist es schwer, weil sie in
abgelegenen Gegenden wohnen. Wir arbeiten rund um die Uhr im Schichtdienst. Nachts schlafen die Betreuerinnen in den Zimmern mit den Babys. Morgens geht die Arbeit gegen 7 Uhr los. Alle Kinder werden gewaschen und die Kleinen gewickelt.

Dann beginnt die große Fütterung. Dafür haben wir einen ganz praktischen Sitztisch, in dem gleich fünf Kinder auf einmal Platz nehmen können.

Die älteren Kinder gehen anschließend rüber ins Nebengebäude, wo sie Kindergarten-Unterricht bekommen. Mit den Kleinen spielen die Erzieherinnen und die Volunteers. Parallel sind immer einige Frauen im Kleiderlager und in der Waschküche beschäftigt. Wir haben hier ja keine Einmal-Windeln. Alles ist aus Stoff und muss gewaschen werden. Im Moment von Hand, denn unsere Waschmaschinen sind kaputt. Die Kinder werden zur Mittagspause gegen zwölf schlafen gelegt. Natürlich bekommt man selten alle 25 Kinder auf einmal ruhig. Der Tag vergeht hier mit waschen, wickeln, spielen. Um 17 Uhr gibt’s dann noch einmal Essen. Wenn es still wird im Haus, kann ich mich in mein Büro zurückziehen. In meinem Büro kümmere ich mich um die Schichtpläne, schreibe Berichte über die Kinder und erstelle eine Budget-Liste. Wir müssen mit wenig auskommen, aber ich bin ganz zufrieden, es ist kein Vergleich zu früher.

Als ich hier vor 29 Jahren anfing, war die Situation ganz anders. Ich war allein mit sieben Kindern, wir hatten zu wenig Kleiderspenden, zu wenig zu essen für die Kinder. Als ich die ersten Helferinnen bekamen, entspannte sich die Situation ein wenig, aber das Gebäude war alles andere als gut ausgestattet. Wir schliefen auf einem Matratzenlager.

Heute kommen wir gut klar. Nur dass die Waschmaschinen kaputt sind, das nervt. Ich wünsche mir, dass sie bald repariert werden. Mein größter Wunsch für unsere Einrichtung wäre ein Trockner."