Die Anerkennung könnte kaum größer sein: "Jane Goodall ist eine Pionierin und eine absolute Ikone", sagt die Verhaltensbiologin Julia Fischer vom Deutschen Primatenzentrum in Göttingen über die britische Schimpansenforscherin. "Sie hat den Blick darauf gelenkt, wie einzigartig diese Tiere sind." Und auch als Frau habe sie Bahnbrechendes geleistet: "Sie hat es geschafft, sich in einer Männerdomäne durchzusetzen, wodurch sie noch heute eine Vorbildfunktion hat für viele junge Wissenschaftlerinnen."

Goodall, die am 3. April 1934 in London geboren wurde und nun 85 wird, untersuchte viele Jahre lang das Verhalten von Schimpansen im Gombe-Nationalpark in Tansania. Damit revolutionierte sie die Verhaltensforschung bei Menschenaffen. "Was sie geleistet hat, ist extrem beeindruckend", sagt auch der Verhaltensbiologe Tobias Deschner vom Max-Planck-Institut in Leipzig: "Sie hat uns wirklich einiges hinterlassen."

Schimpansen sind ganz individuelle Persönlichkeiten

So habe Goodall als Erste erkannt, wie eine Menschenaffengruppe funktioniere: "Die Tiere müssen erst ganz langsam ihre Angst abbauen. Es dauert bis zu fünf Jahre, bis man da mitlaufen darf." Auch sei es Goodall gewesen, die erkannt habe, dass Schimpansen – genau wie Menschen – ganz individuelle Persönlichkeiten seien.

"Und so hat sie ihnen Namen gegeben, was damals als absolut unwissenschaftlich angesehen wurde", sagt Deschner, der Vorsitzender der Gesellschaft für Primatologie ist. Heute dagegen sei das Standard.

Goodall konnte zudem zeigen, dass Schimpansen gezielt Werkzeuge einsetzen, um an ihr Futter zu kommen: "So nutzen sie etwa Grashalme und kleine Stöcke, um nach Termiten zu fischen", erklärt Deschner. Zuvor war man davon ausgegangen, dass dazu nur der Mensch fähig sei.

Und nicht nur das: Goodall entdeckte, dass Schimpansen selbst Werkzeuge herstellen, indem sie Stöcke abbrechen und die Seitentriebe entfernen, um sie dann wie Spieße zur Jagd einzusetzen. Die Forscherin räumte auch mit dem Irrglauben auf, Schimpansen seien friedliche Vegetarier, und zeigte, dass sie sogar Kriege gegen andere Affengruppen führen. "All diese Erkenntnisse haben unser Bild von der Einzigartigkeit des Menschen schwer erschüttert", sagt Deschner.

Promotion im Fach Verhaltensbiologie

Dabei deutete nichts in Goodalls früher Biografie auf ihre spätere Rolle in der Erforschung von Menschenaffen hin: Nach der Schule ließ sie sich zunächst zur Sekretärin ausbilden. Auf Einladung eines ehemaligen Mitschülers reiste sie dann 1957 nach Kenia, wo sie den britischstämmigen Wissenschaftler Louis Leakey kennenlernte. Goodall wurde neben Diane Fossey (Gorillas) und Birute Galdikas (Orang-Utans) eine von drei Frauen, die für ihn Langzeitstudien über Menschenaffen begannen.

Von den drei Frauen wurde Goodall die bekannteste: "Fossey und Galdikas hatten nicht ihr Charisma. Goodall war die schöne Blonde mit den schwarzen Tieren", so sagt es Julia Fischer.

Wesentlich zu ihrer Bekanntheit beigetragen hat das sehr umfangreiche und frühe Filmmaterial über Goodall. 1964 heiratete sie den niederländischen Tierfilmer Hugo van Lawick, der sie und ihre Schimpansen auf unzähligen Metern Zelluloid festhielt. 1967 wurde ihr Sohn Hugo geboren, der seine ersten Jahre in Afrika verbrachte.

Obwohl Goodall nicht studiert hatte, erhielt sie bereits 1962 in Anerkennung ihrer außergewöhnlichen Leistungen eine Ausnahmegenehmigung, um in Cambridge im Fach Verhaltensbiologie zu promovieren. In den 1970er-Jahren war sie als Gastprofessorin an mehreren Universitäten tätig.

Projekt "Roots & Shoots"

Goodall beschränkte sich jedoch nicht nur auf die Erforschung der Schimpansen. "Sie hat früh erkannt, dass die Tiere in ihrer Existenz gefährdet sind", sagt Tobias Deschner. Um für den Erhalt ihrer Lebensräume zu werben, gründete sie 1977 das Jane-Goodall-Institut. "Sie hat versucht, die umliegenden Dörfer mit in ihr Schutzkonzept aufzunehmen und bei den Dorfbewohnern ein Bewusstsein für die Bedeutung der Tiere zu wecken."

1991 rief Goodall in Tansania das Projekt "Roots & Shoots" ("Wurzeln und Sprösslinge") ins Leben. Bislang wurden nach Angaben des Jane-Goodall-Instituts in mehr als 100 Ländern Roots&Shoots-Projekte in Gang gebracht. Kinder und Jugendliche sollen dabei eigene Ideen und kleine Projekte im Bereich Natur- und Umweltschutz entwickeln, um so zur Verbesserung der Lebensbedingungen von Mensch und Tier beizutragen.

Heute sind Goodalls Schimpansen sehr viel gefährdeter als 1960, als sie mit ihrer Arbeit in Afrika begann. "Vor 50 Jahren gab es weltweit noch 1,5 Millionen Schimpansen", sagt Tobias Deschner. Durch das Verschwinden ihres Lebensraums und durch Wilderei seien es heute nur noch rund 100 000. Auf einer Konferenz des Weltzooverbands WAZA erklärte Goodall vor Kurzem: "Wenn ich ein Schimpanse wäre, würde ich einen guten Zoo mit einer guten sozialen Gruppe wählen, wo die Leute sich um mich kümmern und mich lieben – weil die Wildbahn nicht immer Freiheit bedeutet."