Er war der Ideengeber und das logistische Hirn hinter der alliierten Luftbrücke nach Berlin: der britische Air Commodore Reginald Newnham (Rex) Waite (1901-1975). Zwischen 1947 und 1949 war er Chef der britischen Luftwaffenverbände in Berlin. In einem Brief an seinen Vorgesetzten schrieb er während der 322 Tage dauernden Blockade durch die sowjetischen Besatzer 1948: "Das ist der interessanteste Job, den ich jemals hatte." Später in einem Buch ergänzte er: "Ich habe härter gearbeitet als in den 28 Jahren zuvor."

Täglicher Nachschub von rund 3.000 Tonnen nötig

Militärhistoriker schreiben den Erfolg der Luftbrücke wesentlich Waite zu. Der Offizier hatte unmittelbar nach einer zweitägigen "Kleinen Luftbrücke" der Alliierten im April 1948 vorausgeahnt, dass sich die Spannungen zwischen Ost und West wiederholen würden - und selbst zum Rechenschieber gegriffen. Ergebnis: Bei einer erneuten Blockade könne Berlin vollständig aus der Luft versorgt werden. 2,2 Millionen Berliner und die alliierten Soldaten brauchten täglich Nachschub von mindestens 2.000 bis 3.500 Tonnen - eine Idee jenseits des Vorstellungsvermögens.

Am 23. Juni 1948 wird die Währungsreform der drei westlichen Besatzungszonen auf West-Berlin ausgedehnt. Das geht der Sowjetunion zu weit. Soldaten sperren in der Nacht zum 24. Juni alle Zufahrtswege auf dem Land und auf dem Wasser nach West-Berlin. Auch die Gas- und Stromversorgung aus dem sowjetischen Sektor wird abgeschaltet. Fabriken, öffentliche Einrichtungen und Privathaushalte sowie die Garnisonen der Alliierten in den Westsektoren sind lahmgelegt. Die Sowjets hoffen, den Abzug der westlichen Soldaten aus Berlin zu erzwingen und die sich abzeichnende Gründung der Bundesrepublik zumindest zu erschweren.

"Fällt Berlin, dann kommt als nächstes Deutschland"

Das jedoch durfte unter keinen Umständen geschehen, betonte der Militärgouverneur der amerikanischen Zone, Lucius D. Clay: "Fällt Berlin, dann kommt als nächstes Deutschland und dann können wir uns aus Europa zurückziehen." Rex Waite legte seine Planspiele vor und überzeugte Clay, die Luftversorgung Berlins zu wagen. Denn die Westmächte wollten zwar ihre Rechte im "Vorposten der Freiheit" verteidigen, jedoch eine gewaltsame Konfrontation vermeiden.

Am 26. Juni 1948 landete die erste "C-47 Skytrain" der US-Luftwaffe im Rahmen der "Operation Vittles" (Proviant) in Berlin-Tempelhof. Zwei Tage später begannen die Briten über den Flugplatz Berlin-Gatow mit ihrer "Operation Plain Fare" (Hausmannskost). Zum Einsatz kamen auch Flugboote, die auf der Havel und dem Großen Wannsee wasserten: Die bis dahin größte humanitäre Flugoperation der Geschichte begann.

Berlin-Tegel in nur 90 Tagen fertiggestellt

Die Franzosen flogen nicht selbst, genehmigten in ihrem Sektor aber den Bau eines neuen Flughafens. Tegel wurde in nur 90 Tagen aus dem Boden gestampft und am 1. Dezember 1948 eröffnet - auch das ist heute jenseits des Vorstellungsvermögens. Der Airport hatte mit 2.400 Metern die längste Start- und Landebahn Europas.

Bis Anfang Juli waren gut 300 "Douglas C-54 Skymaster" - die größten militärischen Lastenflieger - aus aller Welt eingetroffen. Die Maschinen nutzten in den drei jeweils 32 Kilometer breiten Luftkorridoren ein Einbahnstraßensystem: Für den Hinflug nahmen sie den nördlichen und den südlichen Luftkorridor, aus Richtung Hamburg und Frankfurt am Main, für den Rückflug die nördliche und die mittlere Route Richtung Hamburg und Hannover. Fünf unterschiedliche Flughöhen wurden festgelegt. Ende Juli schafften die Piloten schon über 2.000 Tonnen Fracht täglich nach Berlin.

Schokolade an kleinen Fallschirmen

Die im Volksmund "Rosinenbomber" genannten Maschinen transportierten Kohle, Benzin, Medikamente und Nahrungsmittel, darunter vor allem Getreide, Mehl, Trockenmilch und Trockenkartoffeln. Hunderte Kinder starrten oft sehnsüchtig zum Himmel und begrüßten die Flieger mit lautem Jubel, denn die Piloten warfen oft kurz vor ihrer Landung Schokolade an kleinen Fallschirmen ab.

Während der Blockade kippte die Stimmung in der Stadt endgültig zugunsten der westlichen Schutzmächte. Jetzt standen die Einwohner mehrheitlich auf der Seite der Westalliierten, auch wenn die erst kurz zuvor noch Kriegseinsätze gegen die Stadt geflogen hatten. Die Piloten wurden verehrt und als "Helden der Luftbrücke" gefeiert.

Ansehen der westlichen Siegermächte steigt

Bernd von Kostka vom Alliiertenmuseum in Berlin betont, das Verhältnis der Deutschen zu den westlichen Siegermächten habe sich durch die Luftbrücke nicht gleich vom Feind zum Freund gewandelt, aber immerhin von der Besatzungsmacht zur Schutzmacht. "Die Luftbrücke war sicherlich ein Katalysator, der den Wandel beschleunigt hat." Und: "Die Luftbrücke trug dazu bei, dass die Deutschen wieder in die Wertegemeinschaft des Westen integriert worden sind."

Rex Waite wurde mit dem britischen Orden "Companion of the Bath" ausgezeichnet. 1953 quittierte er den Dienst und verbrachte den Ruhestand in seiner Heimat. Er starb am 7. Mai 1975. Heute trägt in Berlin eine Straße seinen Namen. Sie liegt, ganz passend, am einstigen Militärflughafen Gatow.

 

Die Luftbrücke in Zahlen

Unmittelbar nach dem Kappen der Lebensadern nach Berlin durch die sowjetische Besatzungsmacht am 24. Juni 1948 nahmen die Westalliierten ihre Versorgungsflüge auf. Schon am 28. Juni landeten die Amerikaner zum ersten Mal in Berlin und waren dann 322 Tage lang im Dauereinsatz.

Auch nachdem die Blockade am 12. Mai 1949 um 0:01 Uhr aufgehoben worden war, flogen die Piloten zunächst weiter, um die Vorratslager in der Stadt wieder zu aufzufüllen. Die Operation endete für die US-Soldaten am 30. September 1949. Die Briten flogen zum letzten Mal am 6. Oktober 1949.

Insgesamt gab es 555.370 Hin- und Rückflüge (USA: 379.688, Großbritannien 175.682). Knapp 20 verschiedene Flugzeugtypen waren im Einsatz. Sie brachten insgesamt 2,1 Millionen Tonnen Kohle, Lebensmittel und andere Verbrauchsgüter in die eingeschlossene Stadt. Auch viele Menschen wurden ein- und ausgeflogen: Insgesamt zählten die Crews der Flugzeuge 225.706 Passagiere.

Zum mengenmäßig größten Einsatz kam es vom 15. auf den 16. April 1949. Dokumentiert sind in den 24 Stunden 1.398 Flüge mit insgesamt 11.646 Tonnen Fracht.

Im Dauerbetrieb der Luftbrücke kamen die Flugzeuge etwa im Drei- Minuten-Takt an. Unfälle, etwa beim Verladen, waren häufig. Auch stürzten mehrere Flieger ab: Auf britischer Seite gab es 39 Todesopfer, bei den Amerikanern 31. Zu den deutschen Opfern gibt es unterschiedliche Angaben, sie schwanken zwischen sechs und dreizehn Menschen.