Er ist mehrmals schon durch Deutschland gereist, erzählt Sven Kerber (Name geändert). In Hamburg, Frankfurt und Nürnberg lebte er auf der Straße. Zehn Jahre ist es her, dass der heute 25-Jährige erstmals auf Tour ging. Schlafplätze ausfindig zu machen, war damals mühsam, berichtet der Punk. Vor sechs Jahren schenkte ihm dann jemand ein Smartphone. Danach war vieles leichter: "Als ich zum ersten Mal in Frankfurt war, suchte ich mit Hilfe von Google Maps einen Schlafplatz im Park."

Inzwischen hat Kerber in der Nähe von Würzburg ein Quartier gefunden: "Das wird vom Sozialamt bezahlt." Trotzdem ist der psychisch kranke und deshalb berufsunfähige junge Mann noch viel mit Rucksack und Hund unterwegs. Sich ohne Smartphone durchzuschlagen, könnte er sich nicht mehr vorstellen.

Wer ständig draußen lebt, verletze sich leicht: "Dann muss man schnell herausfinden können, wo der nächste Arzt ist."

Beruhigend sei es auch, sich über soziale Medien mit Freunden verbunden zu wissen. Denn es passiert ständig etwas: "Einmal wurde mir mein Schlafsack, den ich als Kissen benutzt habe, unterm Kopf weggeklaut, einmal griffen mich Nazis an."

Die Selbstvertretung wohnungsloser Menschen fordert, Wohnungslosen kostenlos PCs, Tablets und Smartphones zur Verfügung zu stellen. Vor allem bräuchten Menschen ohne Wohnung Zugang zu WLAN und Strom. "Oft hat man das nicht", sagt Jürgen Schneider, 56 Jahre alter Wohnungsloser, der sich in der Selbstvertretung engagiert. Zwar gebe es Beratungsstellen und Wärmestuben mit PC und Internet-Zugang, "aber in Notschlafstätten ist das noch selten".

Durch die Digitalisierung öffnen sich neue Wege, um obdachlose Menschen besser zu unterstützen.

Davon gehen Wissenschaftler vom Institut für E-Beratung an der Technischen Hochschule Nürnberg aus. Im August starteten sie, gefördert vom Bundesforschungsministerium, das Projekt "Smart Inklusion für Wohnungslose" (SiWo). Bis 2022 will ein Team aus Sozialwissenschaftlern, Informatikern und Ingenieuren Lösungen zur digitalen Inklusion von Wohnungslosen entwickeln.

Digitale Technik sei für Obdachlose heute unentbehrlich, findet die Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Wohnungslosenhilfe. "Schließlich verändert die Digitalisierung das Leben auf allen Ebenen", sagte Fachreferentin Sabine Bösing dem Evangelischen Pressedienst epd. Auch sie plädiert dafür, Wohnungslosen bessere Zugänge zu sozialen Medien zu schaffen.

Die BAG fordert den Ausbau des öffentlichen WLAN sowie frei zugängliche Auflademöglichkeiten in öffentlichen Einrichtungen. Außerdem müsse es mehr Internet-Schulungen für Wohnungslose geben.

Durch ihre eigenen Angebote bekommt die BAG aber auch mit, dass viele Wohnungslose längst online unterwegs sind: "Sie treten über ein Formular auf unserer Internetseite mit uns in Kontakt." Diese Möglichkeit werde ebenso rege genutzt wie das "Wo+Wie-Onlineportal" der BAG Wohnungslosenhilfe, auf dem Hilfsangebote zu finden sind. Viele Obdachlose sind laut Bösing auch auf Facebook aktiv.

In welchem Maße digitale Medien von Wohnungslosen genutzt werden, erforscht gerade Kai Hauprich von der Hochschule Düsseldorf in seiner Promotionsarbeit. Viele Bürger vermuteten, dass die meisten Wohnungslosen kaum internetaffin sind, sagt der junge Wissenschaftler. Doch das sei falsch: "Nahezu alle Obdachlosen nutzen das Internet", weiß er aus einer Erhebung, an der mehr als 100 Wohnungslose teilnahmen. Das Internet werde von ihnen als "elementar wichtig" empfunden. Denn sie fühlten sich damit sicherer und besser integriert