"I mog den Japaner", erklärt Anna Josepha Hofer, 90 Jahre, in breitestem Bairisch. Sie winkt lachend dem jungen Asiaten nach, der gerade ihr Zimmer verlässt. Die beiden sind sich schon hundert Mal begegnet. Frau Hofer wohnt in einer Senioreneinrichtung, in der überwiegend Menschen aus dem Ausland arbeiten. Von den 76 Pflegekräften im Lore-Malsch-Haus in Riemerling bei München haben 55 einen Migrationshintergrund.

Uigurinnen, Kosovaren, Ungarinnen, Rumänen, Chinesen und eine Usbekin: Aus insgesamt 17 Nationen speist sich der Personalpool des Pflegezentrums. Aber ausgerechnet aus Japan kommt niemand. Da lag Frau Hofer falsch. Doch der so freundlich von ihr verabschiedete Pfleger nimmt ihr das nicht übel. Jiajun Wu stammt tatsächlich aus China.

Er ist seit zwei Jahren im Lore-Malsch-Haus tätig und ohne seine Familie nach Deutschland gezogen. "Einmal im Jahr fliege ich nach Hause", erklärt er, "und dann sehe ich, dass mein Sohn wieder viel größer geworden ist." Die letzte Heimreise war im Februar zum chinesischen Neujahrsfest. Der Termin lag zu seiner Freude so, dass er zum 9. Geburtstag seines Sohnes dabei sein konnte.

Tag der Pflege: Mehr Wertschätzung für Pflegekräfte

Vielleicht ist es diese Lebensgeschichte, die Frau Hofer und Herrn Wu in einer besonderen Weise verbindet? "Mir wurde nichts geschenkt im Leben. Ich habe immer für alles gearbeitet, immer hart gearbeitet", erzählt die 90-Jährige im Rückblick auf ihr eigenes Leben. Über 40 Jahre lang hatte sie eine Gärtnerei in München-Giesing. Der kleine Familienbetrieb forderte harte Arbeit. Sie hat nicht eine einzige Urlaubsreise gemacht. Deshalb weiß sie echten Fleiß zu schätzen und sie kennt das Gefühl, Entbehrungen auf sich nehmen zu müssen. Das ist der Grund, warum sie den Altenpfleger Jiajun Wu oft mit warmherzigen Worten lobt.

Um bewusste Wertschätzung für Pflegekräfte soll es auch am 12. Mai gehen, dem "Internationalen Tag der Pflege". Das Datum geht auf den Geburtstag von Florence Nightingale zurück. Die Engländerin, geboren am 12. Mai 1820, stammte aus einer hochprivilegierten Familie, doch beschloss sie, als Krankenschwester zu arbeiten. Während des Krimkriegs (1853-1856) baute Nightingale ein Lazarett im türkischen Scutari auf und half bei der Versorgung verwundeter Soldaten.

 

Altenpflegerin Ines Ambord im Lore-Malsch-Haus in Riemerling
"Ich will diesen Beruf bis zu meiner Rente ausüben": Altenpflegerin Ines Ambord war bereits 35 Jahre alt, als sie eine Ausbildung zur staatlich geprüften Altenpflegerin begonnen hat. Davor betrieb sie einen kleinen Geschenkeladen am Münchner Hauptbahnhof.

Hoher Bedarf an Pflegepersonal

Heute ist der Bedarf an Pflegekräften größer denn je. Doch läuft die Reiseroute vieler Pflegender jetzt genau in die entgegengesetzte Richtung: Die alternden Gesellschaften Westeuropas brauchen Fachpersonal. Und nicht nur im Lore-Malsch-Haus stammt dieses überwiegend aus den Balkanstaaten.

So ist zum Beispiel die Stationsleiterin Anita Rucevic vor sechs Jahren aus Kroatien zum Team gestoßen. Sie brachte eine Ausbildung als Krankenschwester, gute Schulnoten in Deutsch und ein hohes Maß an Zielstrebigkeit mit. In ihrer Freizeit qualifiziert sie sich engagiert weiter. "Wenn ich in meinem Beruf bis zum 67. Lebensjahr arbeiten will, ist das notwendig", sagt sie. Die körperlichen Belastungen im Pflegeberuf führen nach ihrer Beobachtung bei älteren Mitarbeitenden oft zu Rücken- und Knieproblemen. Deshalb setzt sie diszipliniert auf die Entwicklung ihrer Fachkompetenzen.

Sie arbeitet darauf hin, mal als Pflegedienstleiterin oder im Qualitätsmanagement eingesetzt zu werden. Über 300 Stunden Freizeit hat sie für die entsprechenden Kurse geopfert. Dass am Ende verantwortungsvolle Stellen mit Menschen besetzt werden, die praktische Erfahrung in der Pflege haben, ist ihr ein Anliegen.

"Jeder, der zwei Beine und zwei Füße und das Herz am rechten Fleck hat, ist uns willkommen", erklärt die Altenpflegerin Ines Ambord. Die 55-Jährige ist eine der wenigen in Bayern Geborenen im Team des Lore-Malsch-Hauses. Den Gedanken, dass eingewanderte Pflegekräfte eine Konkurrenz für die einheimischen sein könnten, weißt sie energisch zurück. Angesichts der Personalnot ist sie dankbar für jede Bewerberin und jeden Bewerber aus dem Ausland. "Bis vor Kurzem hat ein junger Mann auf meiner Station gearbeitet, der zu Hause Jura studiert hat", berichtet sie.

"Das ist jeden Tag aufs Neue bewegend, herausfordernd und sinnvoll"

Gerade für junge, verantwortungsbereite Osteuropäer sei eine Tätigkeit in der Pflege oft die "Eintrittskarte nach Deutschland". Dies erkläre auch, warum die Fluktuation in Pflegeberufen so hoch sei: "Manche hoffen natürlich, dass das für sie nicht die Endstation ist."

"Ich selber will diesen Beruf bis zu meiner Rente ausüben", sagt Ines Ambord. Sie war bereits 35 Jahre alt, als sie eine Ausbildung zur staatlich geprüften Altenpflegerin begonnen hat. Davor betrieb sie einen kleinen Geschenkeladen am Hauptbahnhof. Doch das empfand sie nicht mehr als befriedigend: "Ich wollte nicht mehr an der Theke stehen und kassieren, sondern ich wollte wirklich Kontakt mit Menschen haben. Jetzt begleite ich Menschen im letzten Abschnitt ihres Lebens. Ich habe Anteil an dem, was sie erleben und was sie bewegt. Das ist jeden Tag aufs Neue bewegend, herausfordernd und sinnvoll."

Das Markenzeichen der Stationsleiterin ist der 30-Sekunden-Scherz. "Auch wenn deine Arbeit total eng durchgetaktet ist, du kannst immer mit einer Geste und ein paar netten Worten einem Menschen den Tag retten!"

Ein Chinese, eine Kroatin und eine echte Bayerin: Drei Menschen, die aus völlig verschiedenen Motiven als Pflegekräfte in München gelandet sind. Ihnen gilt der "Tag der Pflege". Doch was wünschen sie sich mit Blick auf ihre berufliche Situation?

Pflegekräfte im Lore-Malsch-Haus in Riemerling
Anita Rucevic (Mitte) wünscht sich Entwicklungsperspektiven für hochengagierte Pflegende. "Manche denken, unser Job ist nur Windelwechseln" – sagt sie: "Aber hier geht es auch um Qualitätsmanagement, Kommunikation und sinnvolles Prozessmanagement."

Perspektiven der Pflegerinnen und Pfleger

Jiajun Wu wäre glücklich, wenn er seine Familie aus China nachholen könnte. Dann würde er sich in Deutschland nicht mehr nur als Arbeitskraft behandelt fühlen, sondern als Mensch. So schüchtern er seinen Wunsch auch vorträgt, so nachvollziehbar ist er: Muss eine Gesellschaft, die sich menschliche Zuwendung in der Pflege wünscht, nicht auch mit den dort eingesetzten Arbeitskräften menschlich umgehen?

Anita Rucevic wünscht sich Entwicklungsperspektiven für hochengagierte Pflegende. "Manche denken, unser Job ist nur Windelwechseln" – sagt sie: "Aber hier geht es auch um Qualitätsmanagement, Kommunikation und sinnvolles Prozessmanagement. Und wer versteht mehr von diesen Aufgaben als die Menschen, die sie jeden Tag erledigen?"

Ines Ambord träumt davon, dass ihr Berufsalltag von bürokratischen Verpflichtungen entschlackt wird: "Manchmal habe ich den Eindruck, dass inzwischen Dokumentation über Menschlichkeit geht. Das ist weder für uns Pflegende gut, noch ist es im Sinne der Bewohner. Ich hätte gerne wieder mehr Zeit für das Zwischenmenschliche …"

Japan ist in ähnlicher Weise wie Deutschland mit den Herausforderungen einer alternden Gesellschaft konfrontiert. Aber dort möchte die Politik möglichst ohne ausländisches Pflegepersonal auskommen. Stattdessen wird mit großem Aufwand an Pflegerobotern geforscht. Würde Frau Hofer zu einem Pflegeroboter sagen: "I mog den Japaner …"? Wohl kaum. Und wer Jiajun Wu, Anita Rucevic und Ines Ambord persönlich kennengelernt hat, weiß auch sofort, warum das so ist.