Der Umbau war aufwendig: In eine Boeing 747 ("Jumbojet") musste ein großes Loch für das Teleskop geschnitten und gegen die Flugzeugkabine abgedichtet werden. In der Kabine sitzen Astronomen und Datentechniker, dahinter späht der Spiegel mit seinen 2,7 Metern Durchmesser nach Himmelskörpern, Sternen und Weltraumstaub. Es ist die fliegende Sternwarte "Sofia". Ihr Name ist ein Akronym für "Stratosphären-Observatorium für Infrarot-Astronomie". Der Vorteil dieser Sternwarte: Sie kann in einer Höhe von zwölf bis 15 Kilometern die Infrarotstrahlung aus dem All ablichten, die von der Erde aus nicht zu sehen ist.

In ihren Missionen habe sie seit 2010 aufsehenerregende Entdeckungen gemacht, berichtet der Leiter des Deutschen "Sofia"-Instituts, der Stuttgarter Astrophysiker Alfred Krabbe. So konnten detaillierte Informationen über die Atmosphäre des Pluto gewonnen werden. Außerdem hat das Teleskop, das gemeinsam von der Nasa und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt betrieben wird, Staubringe um Planeten aufgespürt und neue Beobachtungen gemacht, wie Sterne entstehen.

Alle Erschütterungen werden weggerechnet

Doch wie erzeugt man im Jumbo scharfe Bilder? "Eigentlich hat man mit einem Teleskop in einer fliegenden Maschine alles falsch gemacht", sagt Krabbe lachend. Das Flugzeug bewegt sich mit 800 Stundenkilometern, Flugturbinen und Wind sorgen für zusätzliche Erschütterungen und Stöße. Die technische Meisterleistung von "Sofia" ist es, alle diese Bewegungen zu messen und vorauszuberechnen, um mit Sensoren und Elektromotoren den Spiegel perfekt ruhig zu halten.

Im Jumbo gibt es Arbeitsplätze für 15 Forscher. Krabbe selbst ist rund 30 Mal mitgeflogen. Und er findet jeden Flug aufregend, weil es jedes Mal Neuentdeckungen gibt und die Forscher Dinge sehen, die zuvor kein Mensch gesehen hat. Die erste Auswertung der in zehn Stunden Flug gewonnenen Daten dauert mehrere Wochen, bis zu einer Fachveröffentlichung sind es dann in der Regel noch einmal zwei Jahre.

Im Inneren der fliegenden Sternwarte »Sofia«: geballte Technik im Rumpf einer Boeing 747.
Im Inneren der fliegenden Sternwarte »Sofia«: geballte Technik im Rumpf einer Boeing 747.

Billig ist das Forschungsvergnügen nicht: Pro Flugstunde kostet das Projekt 80.000 Euro – bei 100 Zehn-Stunden-Flügen im Jahr kommt das Ganze auf rund 80 Millionen. Allerdings können die Geräte auch den gesamten Wellenlängenbereich der Infrarot-Teleskopie abgreifen. Das James-Webb-Weltraumteleskop, das im kommenden Jahr ins All geschossen werden soll, wird dagegen nur eine kleinere Bandbreite erfassen. Vier Fünftel der Kosten für "Sofia" tragen die USA, das letzte Fünftel kommt aus dem bundesdeutschen Raumfahrt-Etat in Form von Personal- und Sachleistungen.

Begegnung mit dem Gott der Bibel

Alfred Krabbe blickt nicht nur in den Himmel – er glaubt auch an Gott im Himmel. Einen Widerspruch zwischen Naturwissenschaft und christlichem Glauben sieht der 60-Jährige, der der Forschungsakademie der Union Evangelischer Kirchen angehört, nicht. In der Astronomie bestimmten die Instrumente, was man sehen könne – für Erfahrungen mit Gott brauche es andere "Antennen", sagt er.

Er selbst habe als junger Erwachsener eine eindrucksvolle Begegnung "mit dem Gott der Bibel" gehabt, berichtet der verheiratete Vater von drei Töchtern. Seitdem gehörten das Lesen in der Heiligen Schrift, das Gebet und die Gemeinschaft in einer evangelischen Kirchengemeinde im nordrhein-westfälischen Erftstadt selbstverständlich zu seinem Leben. Ab und zu hält er Vorträge darüber, was die großen physikalischen Fragen und die Gottesfrage miteinander verbindet.

In diesem Sommer geht’s mit "Sofia" nach Neuseeland. Von der Südhalbkugel bestens zu sehen sind das Zentrum unserer Milchstraße sowie die Magellanschen Wolken. "Das ist der Vorteil von ›Sofia‹: Wir können immer dorthin fliegen, wo am Himmel die Action ist", sagt Krabbe.

Der Stuttgarter Astrophysiker Alfred Krabbe leitet das deutsche »Sofia«-Institut.
Der Stuttgarter Astrophysiker Alfred Krabbe leitet das deutsche »Sofia«-Institut. Einen Widerspruch zwischen Naturwissenschaft und christlichem Glauben sieht der 60-Jährige, der der Forschungsakademie der Union Evangelischer Kirchen angehört, nicht.
Mit 20 Prozent ist das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (Oberpfaffenhofen) am fliegenden Weltraumteleskop »Sofia« beteiligt. Der Name ist ein Akronym für »Stratosphären-Observatorium für Infrarot-Astronomie«. Das fliegende Observatorium schließt in der Astronomie die Lücke zwischen Boden und Weltraum: Bei Teleskopen auf der Erde stört der Wasserdampf in der Atmosphäre, an Satellitenteleskopen kann man nach dem Start nichts mehr nachrüsten. Die Heimatbasis von »Sofia« liegt in der kalifornischen Mojavewüste. Das Teleskop im Inneren des umgebauten Jumbo-Jets ist so genau, als wäre man, im Auto mit 250 Sachen unterwegs, in der Lage, mit einem Laserpointer ein Cent-Stück in 16 Kilometer Entfernung zu treffen.

Im hinteren Rumpfbereich der Boeing 747SP, die so umgebaut ist, dass man sie im Flug öffnen kann, ist ein von den deutschen Unternehmen MAN Technologie AG und Kayser-Threde hergestelltes sogenanntes Nasmyth-Teleskop eingebaut. Der Hauptspiegel hat eine effektive Öffnung von 250 Zentimetern. Zum Gewicht von rund 17 Tonnen für das Teleskop, seinen Rahmen, Lager und Zusatzinstrumente kommen noch einmal drei Tonnen an Elektronik und Computern.