"Mamma mia", "Souper trouper" - "Thank you for the music" – das sind bekannte Hits der schwedischen Popgruppe ABBA. 16, 17 war ich, als sie in den Neunzigern ihr großes Revival hatten. Das Radio in unserer Küche, das fast immer auf Bayern 1 lief, spielte Abba rauf und runter.

Ein Song – er gilt als einer ihrer besten - hat mich dabei besonders angesprochen. "The winner takes it all". Dieses Lied soll so entstanden sein: Björn, einer der vier der Abbagruppe, hatte Frust. Gerade hatten Agnetha und er sich getrennt. Es war mal eine große Liebe zwischen den beiden. Auch beruflich waren sie sehr erfolgreich. Agnetha gehörte auch zur Abbagruppe. Und nun – ist es aus. Da setzt sich Björn mit einer Flasche Whiskey hin und schreibt in nur einer Stunde den Text von "The winner takes it all". Der Song handelt von Trennung – aus der Sicht einer Frau.

Ich möchte nicht über Dinge sprechen, die wir durchgemacht haben
Es verletzt mich zwar, aber jetzt ist es Geschichte
Ich spielte alle meine Karten aus -  das hast Du auch getan
Es gibt nichts mehr zu sagen, kein Ass mehr auszuspielen.

Der Gewinner bekommt alles
Die Verliererin steht klein und unbedeutend
Neben dem Sieg
Das ist ihr Schicksal
(…)

Die Götter würfeln bloß
Mit eiskalter Berechnung
Und hier ganz unten
Verliert jemand denjenigen, der ihm lieb war
Der Gewinner bekommt alles. Der Verlierer muss sich beugen
Es ist einfach und ehrlich. Warum sollte ich mich beklagen?

Aber sag mir, küsst sie Dich wie ich es getan habe?
Fühlt es sich genauso an, wenn sie Deinen Namen ruft?
Irgendwo tief im Inneren musst Du wissen, dass ich Dich vermisse
Aber was soll ich sagen?
Regeln müssen befolgt werden

Die Richter werden entscheiden
Und wer so ist wie ich, bleibt nur Zuschauer bei der Show
Immer schön im Hintergrund

Der Gewinner bekommt alles (…)

Es wundert mich nicht, dass dieses Lied einem Jugendlichen gefällt. Denn er macht genau das durch, wovon das Lied erzählt: Phasen des Einfach-nur-heulen-wollens, Verliebt-Sein und Liebeskummer, Melancholie, das Gefühl "niemand versteht mich", Weltschmerz. Man möchte selbst im Leben der Gewinner werden. Aber winner – das sind immer die anderen. Man fühlt sich selbst eher als der looser, und fragt sich oft: Warum versteht mich keiner?

Es ist ein melancholisches und irgendwie auch trauriges Lied. Das Leben ist dich ungerecht. Vor allem diese Logik. Wer gewinnt, bekommt alles. Wer verliert, bekommt nichts. Es gibt Gewinnerinnen und Verlierer. Das Leben ist – wie von Göttern gewürfelt. Eiskalt berechnet. Regeln und Richter regeln und richten. Manche siegen, andere bleiben halt nur Zuschauer bei der Show des Lebens. So sind nun mal die Regeln. Entweder – Oder. So oder so. Gewinner – Verlierer. Ist das gerecht?

In jedem Fall tut es weh. Macht traurig. Trauer und Schmerz höre ich in diesem Lied. Und Sehnsucht nach Versöhnung. Dass man sich doch nochmal begegnet, anschaut, versteht, umarmt. Dass man sich gegenseitig gerecht wird.

Menschheitsthema Gerechtigkeit

Gerechtigkeit ist eines der ganz großen Menschheitsthemen. Die ARD widmet ihm ab heute eine ganze Woche mit verschiedenen Sendungen. Gerecht – was bedeutet das? Wer hat Recht auf wieviel und warum? Darüber denken Menschen seit tausenden Jahren nach. Frauen und Männer aus allen Disziplinen, aus Politik und Rechtsprechung. Philosophie. Kirchen und Religionen. Auch Journalisten, Sozialwissenschaftlerinnen. Ja, jeder Mensch, der sich Gedanken über das Leben macht, stößt auf die Frage: Was ist gerecht?

Zahlreich sind die Antworten:

Jedem das Gleiche

Jeder gemäß ihren Verdiensten und Werken

Jedem gemäß seinen Bedürfnissen

Jeder gemäß ihrem Rang

Und noch viel viel mehr Gedanken und Lösungsvorschläge kreisen um die Frage: Was ist gerecht.

So klug sie sein kann – sie ist dann doch recht fehlerhaft menschlich, die Gerechtigkeit. Jeder Lösungsvorschlag wirft wieder neue Fragen auf. Es ist letztlich so: Keine Gerechtigkeit wird allen gerecht.  

So unterschiedlich und widersprüchlich die meisten Gedanken zu Recht und Gerechtigkeit sind: Eine Gemeinsamkeit haben alle: Sie berechnen. Sie messen. Sie zählen, sie wiegen ab. Wer bekommt oder braucht wieviel?

Zählen und Rechnen – das ist wichtig. Ohne das Zählen wäre nichts gerecht. Und deshalb brauchen wir Regeln und Zahlen.
Aber: Ist das Zählen und Rechnen alles? Gerade wenn wir wissen, dass es irgendwo menschlich fehlerhaft bleibt?

Einer, der über Gerechtigkeit nachgedacht hat, ist der Philosoph und Theologe Paul Tillich. Er meditiert eine Gerechtigkeit, die über die menschlichen Versuche gerecht zu sein hinausgeht. Jeder Mensch, jedes Wesen hat einen inneren Anspruch auf Gerechtigkeit. Und das bedeutet: "Selbsterfüllung in einem Rahmen, der allem Seienden Erfüllung ermöglicht".

Ein schöner Gedanke. "Selbsterfüllung in einem Rahmen, der allen Lebewesen Erfüllung ermöglicht". Nicht Selbstverwirklichung. Selbsterfüllung, für mich und für alle.

Eine solche Gerechtigkeit ist übermenschlich. "Schöpferische, verwandelnde, innere Gerechtigkeit" nennt sie Tillich.

Heal the world heißt ein bekannter Song von Michael Jackson. Ohne das Wort zu nennen, singt er davon: Von Selbsterfüllung in einem Rahmen, der allen Erfüllung ermöglicht: Eine bessere Welt, für dich, für mich und für alle Menschen.

Da ist ein Platz in deinem Herzen
Und ich weiß dass es Liebe ist
(…)
Es führen viele Wege dorthin
Wenn du etwas für das Leben übrig hast
Dann mach einen kleinen Raum daraus, einen besseren Ort.

Heile die Welt
Mach daraus einen besseren Ort
Für dich und für mich, und für alle Menschen
(…)
Wenn du etwas für das Leben übrig hast
Mach einen besseren Ort daraus
Für dich und mich

Dieser Song ruft auf, die Welt zu heilen. Sie zu verwandeln. Sie zu einem besseren Ort zu machen. Und die bessere Welt hat mit dem "place in you heart" zu tun, dem Platz im Herzen, mit der Seele.

Diese bessere Welt hat Namen. Es sind symbolische Namen, weil letztlich kein menschliches Wort diese bessere Welt, diese bessere Gerechtigkeit fassen kann.

"Reich Gottes" "Himmelreich" – so nennt Jesus diese bessere Welt. Heal the World könnte auch heißen: Dein Reich komme. Reich Gottes heißt für Jesus diese ganz andere Gerechtigkeit, die weit über "Jedem das Seine" oder "Jeder das Gleiche" oder anderes hinausgeht. Reich Gottes heißt: Jedes Leben soll Erfüllung finden, keines soll ausgeschlossen oder zurückgesetzt sein. Zu schön, um wahr zu sein, möchte man sagen.

Doch wann und wie und wo ist oder kommt dieses Reich Gottes?

Als Jesus …gefragt wurde: Wann kommt das Reich Gottes?, antwortete er ihnen und sprach: Das Reich Gottes kommt nicht mit äußeren Zeichen; man wird auch nicht sagen: Siehe, hier!, oder: Da! Denn sehet, das Reich Gottes ist mitten unter euch. (Lukas 17, 20-21)

Man kann es nicht sehen, also auch nicht zählen und berechnen. Und doch: Es ist schon da. Mitten unter euch. Früher wurde übersetzt "Inwendig in euch". Das ist "the place in your heart", die Seele, der Platz in mir. Da ist schon etwas vom Reich Gottes in meinem Innersten.

Nein, man kann das nicht feststellen, zählen, berechnen. Aber: Man kann es zum Schwingen bringen lassen. Jesus tut genau das: Durch Geschichten, Gleichnisse vom Reich Gottes unser Inneres bewegen, zum Schwingen bringen.

Eine dieser Geschichten: da wirbt der Besitzer eines Weinbergs Mitarbeitende an. Sie sollen im Weinberg arbeiten. Der eine arbeitet den ganzen Tag, gleich ab Sonnenaufgang. Die nächste nur 8 Stunden, sie muss sich in der Früh erst um ihre Kinder kümmern. Ein nächster sechs Stunden. Und so weiter. Und die letzten arbeiten nur eine Stunde. Alle haben sich vorher einzeln mit dem Chef auf den Lohn geeinigt. Ein Silbergroschen. Am Ende bekommen alle ihren Lohn ausgezahlt. Sie merken: Alle bekommen gleich viel. Und dann ärgern sich die, die länger gearbeitet haben. Das soll gerecht sein, dass die, die nur eine Stunde gearbeitet haben, genauso viel bekommen?

Es gibt Ärger. Und einer mault den Chef richtig an. Und wie reagiert der?

Er antwortete aber und sagte zu einem von ihnen: Mein Freund, ich tu dir nicht Unrecht. Bist du nicht mit mir einig geworden über einen Silbergroschen? Nimm, was dein ist, und geh! Ich will aber diesem Letzten dasselbe geben wie dir. Oder habe ich nicht Macht zu tun, was ich will, mit dem, was mein ist? Siehst du darum scheel, weil ich so gütig bin? (Matthäus 20, 13-15)

Hier stoßen zwei Formen von Gerechtigkeit aufeinander. Der Mitarbeiter rechnet nach, vergleicht Lohn und Arbeitszeit. Bei sich und den andern. Ihm steht eigentlich mehr zu. Der Chef sagt: Nein. Du hast bekommen, was wir beide ausgemacht haben. Übrigens: Das Zählen ist mir gar nicht wichtig.  – Du bist mein Freund. Du gehörst zu mir. Das zählt bei mir. Güte. Liebe. Freundschaft mit Gott und den Menschen. Erfüllung für jede und jeden.

Eine andere Geschichte. Ein junger Mann zieht von zu Hause aus. Lässt sich von seinem vermögenden Vater gut mit Geld ausstatten und zieht los. Macht Party. Lässt sichs gut gehen, feiert, Frauen und Männer finden ihn interessant, attraktiv, cool, sexy, wollen mit ihm zusammen sein, Spaß haben  – bis auf einmal das Geld weg ist. Was bleibt ihm über? Er kehrt heim, zerlumpt, ungewaschen, - man riecht es -  mit kaputten Schuhen, er schämt sich zutiefst. Der Vater – sieht ihn, nimmt ihn in den Arm und organisiert ein Fest: Ein Kalb wird geschlachtet. Festliche Kerzenlichter auf den Tischen, Kalbsfilet, gegrillt, frisches Gemüse, guter Wein dazu. Musik spielt. Die Leute tanzen, umarmen sich, ein tolles Fest für den Heimkehrer. Endlich ist er wieder da, der lange vermisste Sohn.

Nur einer feiert nicht mit. Sein älterer Bruder.

Der ist stinkesauer. Jahrelang hat er auf dem Hof gearbeitet, verzichtet, die Launen des Vaters ertragen, wenig Dank und Geld dafür bekommen – und jetzt das. Dieser Blender, Charismatiker nennen ihn manche. Phhhhh.  Alle sind drin und feiern den, der nichts geschafft hat. Toll. The winner takes it all. Es ist immer dasselbe…

Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen. Da ging sein Vater heraus und bat ihn. Er antwortete und sprach zu seinem Vater: Siehe, so viele Jahre diene ich dir und habe dein Gebot nie übertreten, und du hast mir nie einen Bock gegeben, dass ich mit meinen Freunden fröhlich wäre. Nun aber, da dieser dein Sohn gekommen ist, der dein Hab und Gut mit Huren verprasst hat, hast du ihm das gemästete Kalb geschlachtet. Er aber sprach zu ihm: Mein Sohn, du bist allezeit bei mir und alles, was mein ist, das ist dein. (Lukas 15, 28-31)

Alles, was mein ist, ist dein, sagt der Vater. Du bist doch mein Sohn. Du liegst mir am Herzen. Du wolltest immer alles richtigmachen, Dir alles verdienen. Aber ist das das Wichtigste im Leben: Alles richtigmachen, verdienen, sich unterordnen, anpassen?

Meinst du, ich stoße mich daran, wenn du mal weniger arbeitest, wenn du mal mit deinen Freunden unterwegs bist? Ich will gar nicht, dass du mir "dienst" wie ein willenloser Knecht, dich nur an Regeln und Gebote hältst. Ich will, dass Du lebst - als freier, selbstbewusster Mensch. Ich will dich als Sohn, als Kind, als freien Menschen, den ich lieb habe wie mein Leben. Und: Ich will dich glücklich, erfüllt sehen." So denke ich mir die Worte des Vaters

Wie die Geschichte weiter geht bleibt offen, wie auch das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg.

Eines ist klar: Da stört was. Da ärgert etwas. Denn alle sind es gewohnt, zu rechnen. Die Söhne des Vaters, die Arbeiterinnen und Arbeiter im Weinberg, ich auch. Mich würde das auch ärgern. Wenn ich die ganze Arbeit habe, andere tun weniger bis nichts – und werden gefeiert, stehen im Mittelpunkt. Ja, sowas ärgert mich.

Ich glaube, durch solchen Ärger kann etwas geschehen, in Gang kommen. Mein Rechnen und Vergleichen steht in Frage. Der Ärger ist wichtig, denn so rührt sich etwas in mir. So wandelt sich etwas. Mein Blick auf mein Leben. Mein Blick auf Gott, der will dass mein Leben erfüllt ist.

Beim Vater, beim Weinbergbesitzer, bei – Gott - geht es um ganz anderes. Nicht oder nicht nur um richtig und falsch, nicht um "Jeder das Gleiche" oder "Jedem das Seine". "Wer hat was verdient".

Es geht um Erfüllung für Jede und Jeden. Erfüllung des Lebens in einem Rahmen, der allen Erfüllung ermöglicht.

Ich sehe: Die Liebe des Vaters zum Sohn, die Freundschaft Gottes zu mir ist so groß und tief, dass das Zählen nicht unwichtig, aber zweitrangig wird. "Mein Sohn, meine Tochter, mein Freund"

Damit bricht etwas neues, ganz Anderes ein. Nämlich diese verwandelnde innere Gerechtigkeit. Das Reich Gottes. Wie ein überraschend heller Sonnenstrahl an einem Novembermorgen, der doch üblicherweise grau ist. Gerechtigkeit als Lichtstrahl, ja als Sonne davon spricht ein Prophet der Bibel und ein altes Kirchenlied greift das auf: Sonne der Gerechtigkeit, gehe auf zu unsrer Zeit.

Sonne der Gerechtigkeit, gehe auf zu unsrer Zeit!

"Zu unsrer Zeit" gehören Ereignisse, die sich rund um den heutigen Sonntag jähren und die auch mit Recht und vor allem mit Unrecht zu tun haben.

Im November 1989 ist die Berliner Mauer gefallen. Ich erinnere mich an die Bilder im Fernsehen. Demonstrationszüge, die rufen: Wir sind das Volk. Wir sind ein Volk. Menschen liegen sich weinend vor Glück in den Armen, als sie die Grenze zwischen Ost und West passieren. Wie viel Hoffnung auf eine bessere Welt und ein besseres Leben lag in der Luft. Ich fuhr kurz nach dem Mauerfall zum ersten Mal nach Berlin, eine Stadt, die mich fasziniert bis heute. Was ich noch gut in Erinnerung habe: Dieser damals noch ganz sichtbare Unterschied zwischen Ost und West. Am Kurfürstendamm die schicke Einkaufsstraße, das KadeWe und vieles mehr, Symbol der westlichen Kultur und der Freiheit. Im Osten war vieles davon jahrzehntelang nicht möglich. Ist das gerecht?

Der 9.11. erinnert an die Reichspogromnacht vor 80 Jahren. Ist es gerecht, dass ein Mensch keinen Schutz mehr genießt, weil er Jude ist?

Unweit des Reichstages ist heute das Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Über 2700 Steinstelen, auf einem Boden, der einem das Gefühl gibt: Er trägt nicht. Der Boden wankt. Und die Stelen, meist größer als man selbst, bedrängen und drohen auf die Betrachterin zu stürzen. Es verunsichert, dieses Denkmal. Wie kann solches Unrecht je geahndet, gesühnt werden? Wie kann es überhaupt je Gerechtigkeit geben?

Und auch die Millionen Toten des Ersten Weltkriegs verschärfen diese Fragen: Wie kann es überhaupt je Gerechtigkeit geben?
Gut, das ist 80 bis über hundert Jahre her. Aber ist die Frage nach Recht und Gerechtigkeit damit erledigt, verjährt, wie ein Grab, das man nach der Ruhefrist abräumt?

In einer Tageszeitung entdeckte ich kürzlich eine Todesanzeige. Vier Menschen gleichen Geburtsnamens, Geschwister, Cousins und Cousinen gedenken darin ihres Großvaters, der im Oktober 1918, kurz vor Kriegsende mit 40 in Versailles gefallen ist. Wer war dieser Mann wohl? Einerseits ein Kriegsteilnehmer, wahrscheinlich konkret mitverantwortlich dafür, dass andere gestorben sind. Andererseits war er selbst ein Kind und auch Opfer der Zeitumstände, in denen er gelebt hat, in die er hineingeboren wurde.

Eines ist dieser Todesanzeige abzuspüren: Er, der so jung Verstorbene, hat gefehlt. Seiner Frau. Und seinen Kindern als Vater. Die Vaterlosigkeit des eigenen Vaters haben gewiss auch die Enkel gespürt, die heute wohl selbst im Großelternalter sind. Nein, so lange ist das nicht her. Die Folgen wirken heute noch nach.

Unsere Demokratie ist aus Kriegen geboren. Die Geschichte unseres persönlichen Lebens, unseres Landes und auch unserer Kirchen ist verstrickt in Leid und Schuld. Zu unserer Geschichte gehören Unrechtssysteme. Das ist so.

Und das macht sensibel oder sollte es zumindest machen. Sensibel für Friede und Gerechtigkeit für möglichst viele. Dafür müssen wir handeln und denken. Menschliche, zwischenmenschliche Gerechtigkeit ist ein hohes Gut. Wir müssen alles Menschenmögliche tun, um für mehr Gerechtigkeit zu sorgen. Wir können einiges tun. Es gibt und bleibt viel zu tun. Für unsere Politiker. Und auch in den Kirchen.

Trotzdem bleibt unser Bemühen um Gerechtigkeit brüchig, fragwürdig, und: Für irgendjemanden immer auch ungerecht.
Es bleibt vieles unerfüllt. In jedem Leben. Und darüber hinaus: soviel himmelschreiendes Unrecht, das Menschen sich angetan haben und weiterhin antun.

An dunklen Tagen hat sich Martin Luther so aufgehellt. Er nimmt ein Stück Kreide und schreibt damit groß auf den Tisch: Baptizatus sum. Ich bin getauft. Zu mir wurde gesagt: Du bist mein Kind, Du bist mein Freund, und ich bin dir gut.

Diese Erinnerung an seine Taufe – sie war am Martinstag, 11.11. 1483 – diese Erinnerung an seine Taufe hat etwas in ihm verwandelt und zum Leuchten gebracht, nämlich die Gewissheit: Gott gibt meinem Leben Erfüllung. Bei Gott gibt es keine winner und looser. Sondern am Ende nur winner. Jedes Leben, auch mein Leben, wird durch Gott erfüllt.