Gerade zu Ostern haben Gottesdienste in körperlicher Präsenz laut der evangelischen Theologin Claudia Jahnel für viele Christen eine besondere Bedeutung. "Ostern ist das Fest der körper-leiblichen Verwandlung, die uns hoffen lässt", sagte Jahnel am Mittwoch im Gespräch mit sonntagsblatt.de.

Feier in physischer Präsenz spricht Körperlichkeit am meisten an

"Und es ist das Fest der Begegnung - in all unserer Verletzlichkeit, dem Wunsch zu berühren und berührt zu werden, der gegenseitigen Anerkennung."

Die gemeinsame Feier in physischer Präsenz spreche dieses Körperwissen sicherlich am stärksten an, sagte die Professorin, die an der Ruhr-Universität Bochum den bundesweit einzigen Lehrstuhl für Interkulturelle Theologie und Körperlichkeit innehat und in Erlangen lebt.

In der direkten Begegnung geschehe etwas, "das widerfährt und unverfügbar bleibt". Auch in Corona-Zeiten, wenn im Freien mit Abstand gemeinsam Osternacht gefeiert werde, hinterlasse dies "eine Spur der Verwandlung".

Kirche kann auch digital für die Menschen da sein

Zwar sei der christliche Glaube darauf angelegt, gemeinsam körperlich Gottesdienst zu feiern, sagte die Theologin. Aber wenn das gerade nicht möglich sei, "muss man eben eine Weile in anderer Form zusammensein".

Kirche könne auch digital bei den Menschen sein: "Im Gottesdienst geschieht ja nichts Magisches", sagte sie. Für Präsenzgottesdienste spreche eher das soziale Argument: "Man möchte einfach zusammensein." Die digitale Übergangsmöglichkeit ersetze nicht dauerhaft das physische "Wo zwei oder drei in Jesu Namen versammelt sind".

Der Glaube an die leibliche Auferstehung Christi bedeute "enorme physische, kulturelle und religionspolitische Grenzüberschreitungen", sagte Jahnel.

Es sei kein Wunder, dass die Theologie seit 2.000 Jahren zu verstehen versuche, was es damit auf sich habe. Kaum mehr vertreten werde die Auffassung, dass die Menschen mit dem Körper, den sie jetzt haben, auferstünden: "Leibliche Auferstehung ist mehr", sagte sie. "Beim Leib ist mein ganzes Ich, sind meine Beziehungen mit der Welt dabei." Auferstehung sei "eine Verwandlung, auf die wir gespannt sein können".

Weltweit gibt es unterschiedliche "Deutungsmächte" auf den Körper

Das ganze westliche Gesellschaftssystem sei auf den gesunden beziehungsweise kranken Körper angelegt, sagte Jahnel.

Dabei gebe es weltweit ganz unterschiedliche "Deutungsmächte" auf den Körper. "Im Westen haben Aufklärung und Rationalität unseren Umgang mit dem Körper stark geprägt, auch die Verneinung von Körperwissen", sagte sie. Doch dies ändere sich, so nehme etwa die weltweite Alternativmedizin zu.