Was sie hinter der Tür zum Patientenzimmer erwartet, das weiß Dorothea Zimpel nicht. Manchmal sind es unangenehme Gerüche, Lachen und Tränen, auch mal Ablehnung oder Wortlosigkeit, wenn Sprache nicht mehr möglich ist. Die ehrenamtliche Klinikseelsorgerin öffnet aber seit 2010 jeden Donnerstagnachmittag auf Station 4 des Klinikums Süd in Nürnberg aufs Neue Türen und ist einfach da für die Menschen dahinter.

Eigentlich könnten Dorothea Zimpel hier in der Nephrologie die Klinikmitarbeiter sogar als Kollegin begrüßen. Die Nürnbergerin arbeitet seit 1982 als Krankenpflegerin, hat an ihrem freien Nachmittag aber immer noch Lust auf den Nächsten.

"Hier kann ich mal für ein paar Stunden nur Zuhören und Reden, das ist in meinem beruflichen Alltag so nicht möglich", erklärt die 54-Jährige.

Dorothea Zimpel kann hier eine Sehnsucht stillen, die sie einst in den sozialen Dienst gebracht hat.

Dabei zeige sich ihr täglich eine breite Palette an Spiritualität, sagt sie. Rund 50.000 Patienten lassen sich pro Jahr am Südklinikum mit seinen 40 Stationen behandeln. Die neun haupt- und elf ehrenamtlichen Seelsorger haben sie unter sich aufgeteilt. "Es vergeht kein Tag, an dem wir nicht gerufen werden", erklärt Pfarrer Richard Schuster. Manchmal sind es die Patienten selbst, die um einen Seelsorger bitten, manchmal schlagen aber auch Ärzte und Pflegepersonal vor, doch mal das Gespräch zu suchen.

Haupt- und Ehrenamtliche arbeiten eng miteinander zusammen. "Wir machen keine Unterschiede", sagt Schuster. Die Hauptamtlichen fungieren zudem als Mentoren, halten Kurse ab oder informieren zu Themen wie Patientenverfügung. Dabei spiele auch die Konfession keine Rolle, nicht mal, ob man Christ sei. 

Seelsorge findet aber nicht nur für die Patienten statt. Auch Ärzte und Pfleger brauchen hin und wieder jemanden zum Reden, oder auch zum Weinen.

Einmal habe eine Putzfrau zu ihr gesagt "so, und jetzt machen wir mal die Tür zu". Schnell war Dorothea Zimpel mittendrin im Gespräch über Sorgen der Frau, die sie loswerden wollte.

Und dann sind da noch die Angehörigen: Ehefrauen, die verzweifelt sind, weil ihr Partner im Koma liegt, Kinder, die sich um ihre kranke Mutter sorgen. "Da muss ganz behutsam Vertrauen aufgebaut werden", ergänzt Diakon Wolfgang Kopp. Das könne auch mal über gemeinsames Schweigen entstehen. Welche Gespräche und Perspektiven sich dann aus den Begegnungen entwickeln, das fasziniere ihn immer wieder.

Ein neuer Ausbildungskurs in ehrenamtlicher Klinikseelsorge beginnt mit einem Kurswochenende im Oktober 2019 und endet mit einem Wochenende im März 2020. An 17 Abenden und einem Kurstag werden die Teilnehmenden über Gefühle, Krankheit und Glaube nachdenken, seelsorgliche Gespräche einüben und in der Gruppe erarbeiten, was Seelsorge bedeuten kann.

"Das kann auch anstrengend sein. Man muss sich öffnen und zeigen, dass man auch mit Grenzsituationen klar kommt", sagt Zimpel.

Sie sei aber sehr froh, dass ihre Kirche sehr genau hinschaue, wer dieses Ehrenamt dann auch ausüben dürfe. Das hauptamtliche Seelsorgeteam bereite jeden mit einer gründlichen Ausbildung vor und unterstütze dann mit regelmäßiger Begleitung. In den neun Jahren, in denen die Protestantin nun schon eine der guten Seelen auf Station 4 im Klinikum Süd ist, habe sich ihr Gottesbild stark erweitert und der eigene Blick auf Glaubensdinge geschärft. "Neulich hatte ich eine Frau, die nach einem langen Gespräch meinte, sie sei eigentlich Buddhistin. Wir stellten dann aber fest, dass wir gar nicht mal so weit auseinander liegen vom Denken her", erzählt Zimpel. Sie erlebe mit den Menschen Momente, die heilig seien. Auch ohne Gebet.