Bessere Quarantänekonzepte für Flüchtlingsunterkünfte fordern Sozialberater der Inneren Mission München. "Sollen auch künftig bei einem Corona-Verdachtsfall wieder ganze Einrichtungen unter Quarantäne gestellt werden?", fragte Radoslav Ganev, stellvertretender Leiter des Sozialdiensts für Flüchtlinge. Er plädierte dafür, die beengten Wohnverhältnisse in Gemeinschaftsunterkünften zum Infektionsschutz zu entzerren und mehr Ausweichquartiere für Infizierte zu schaffen. "Eine Quarantäne-Unterkunft mit 160 Plätzen reicht nicht für ganz München", so der Sozialberater.

Gerade in den Einrichtungen in Containerbauweise seien 14 Tage Quarantäne bei sommerlichen Temperaturen schwer auszuhalten. "In den Zimmern hat es dann leicht über 40 Grad", sagte Ganev, der auch für die staatliche Unterkunft in Freiham mit 360 Plätzen zuständig ist.

Dort wurde nach Protesten der Inneren Mission eine Quarantänemaßnahme für die derzeit rund 250 Bewohner im Juli nach einer Woche aufgehoben. Positiv getestet wurde letztlich nur ein Mann, der mit seiner Familie den Rest der Quarantäne in einem separaten Bereich verbrachte.

Flüchtlingsunterkünfte können Corona-Hotspots werden: "Viele fühlen sich gefährdet"

Den Geflüchteten sei klar, dass Gemeinschaftsunterkünfte (GU) durch die beengten Verhältnisse schnell zu Corona-Hotspots werden könnten. "Viele fühlen sich dadurch gefährdet", sagte Bereichsleiter Ganev gegenüber sonntagsblatt.de. Sozialberatung sei in dieser Situation besonders wichtig, deshalb habe die Innere Mission dafür gesorgt, dass die Berater schon bald nach dem Lockdown im März wieder in die Unterkünfte gehen konnten. "Das hat erheblich zur Ruhe beigetragen", so Ganev.

Die Folgen von Corona hätten geflüchtete Menschen ungebremst getroffen, sagt Elisabeth Ramzews, die bei der Inneren Mission den Sozialdienst für Asylsuchende leitet. Insgesamt beraten ihre Mitarbeiter rund 7.000 Bewohner in 37 Unterkünften der Landeshauptstadt und den Landkreisen München und Starnberg. Ein Drittel davon sind Minderjährige. "Viele Arbeitsverhältnisse wurden in der Krise gekündigt, die Kinder und Jugendlichen müssen das Schuljahr wiederholen", zählt Ramzews auf.

Sozialberaterin Eller ist genervt

Martina Eller, Sozialberaterin in der staatlichen Unterkunft Freiham, kann das bestätigen. Über die Hälfte ihrer Leute sind anerkannte Flüchtlinge, viele wohnen nur noch in der Unterkunft, weil sie weder eine freie noch eine Sozialwohnung finden. "Wir waren so stolz, dass ein Großteil unserer Erwerbsfähigen einen Arbeitsplatz in den Bereichen Lager, Reinigung oder Küche hatten", sagt sie. Der Frust über den Jobverlust sei groß und bis das erste Geld vom Jobcenter eintreffe, dauere es oft zwei bis drei Monate.

Apropos Jobcenter: Weil in den Ämtern die persönlichen Kontakte drastisch reduziert wurden, müssen nun die Sozialberater fehlende Unterlagen ihrer Bewohner einreichen. "Aber wenn ich 30 angeforderte Kontoauszüge einscanne, bin ich 15 Minuten beschäftigt", sagt Eller kopfschüttelnd. Ganev ergänzt trocken:

"Dass die Leute ihr Geld bekommen, haben wir jetzt auch noch zu verantworten."

Vom Homeschooling seien die Schulkinder in der Blechunterkunft der Regierung von Oberbayern abgeschnitten: Es gibt dort weder WLAN noch einen Drucker. Schräg gegenüber, in der kleineren städtischen Unterkunft, gäbe es WLAN, aber das hilft den Kindern in den Containern nicht. "Also haben manche Lehrer die Arbeitsblätter ausgedruckt vorbeigebracht und über die Hauspost verteilen lassen so sieht digitaler Unterricht aus", sagt Ganev. Er befürchtet, dass viele Kinder den Rückstand nicht mehr aufholen.

Freizeitangebote fallen ebenfalls gerade flach: Die meisten Ehrenamtlichen der Helferkreise sind über 70 - Risikogruppe. Angebote von anderen Trägern können zum Teil nicht stattfinden, weil deren Hygienekonzepte mit dem der GU kollidieren. Die Kinder und Jugendlichen seien nicht ausgelastet, die Situation für alle frustrierend, sagen Eller und Ganev. Was helfen könnte? "Mehr Platz schaffen für die Sicherheit der Menschen, weg von solchen Riesenklötzen ohne jede Integrationsmöglichkeit, mehr Mitsprache der Sozialdienste beim Bau von Unterkünften", zählt Ganev auf. Er ist sicher: Je kleiner die Unterkunft, desto weniger Konflikte gebe es. Auch in Sachen Corona.