Ich hatte vor ein paar Tagen eine heftige Diskussion mit meinem erwachsenen Sohn und seiner Frau. Eigentlich verstehen wir uns gut, aber bei allem, was das Internet betrifft, sind sie mittlerweile ganz woanders.

Ich bin froh, dass ich meinen PC habe, ich bin auch im Internet unterwegs und kann schnell mal was nachschauen. Aber ich bin zum Beispiel nicht auf Facebook. Ich finde, dass ich da viel zu viele Informationen über mich selbst zur Verfügung stelle.

Mein Sohn, seine Frau und unsere Enkelkinder (14 und 12) haben natürlich einen Facebook-Account. Meine Enkeltochter berichtet mir, wie oft sie "gelikt" wird. Sie tauschen Bilder aus, weisen sich gegenseitig auf Veranstaltungen hin, laden sich ein, freuen sich über Geburtstagsgrüße. Ich habe da schon viel von ihnen gelernt.

Neulich hat mein Sohn gesagt, eigentlich sei die Facebook-Gemeinschaft für ihn wichtiger als eine Kirchengemeinde. Er jedenfalls würde von denen mehr für sich bekommen, als wenn er am Sonntagvormittag in die Kirche geht. Ich muss schon sagen, dass mich das ziemlich fassungslos macht.

Herr H. (73)

Ich finde es faszinierend, dass Sie – obwohl Ihnen die Facebook-Welt eher fremd ist – offenbar nicht aufgeben, mit Ihren Kindern und Enkeln darüber zu reden.

Facebook ist für viele eine wichtige Kommunikationsplattform. Jeden Tag kann man nachschauen, wie der Stand gerade ist. Ich glaube, das befriedigt ein Bedürfnis nach Resonanz, nach Gesehen-Werden, danach, in anderen etwas auszulösen und eine Reaktion zu bekommen. Wie viele haben gelesen, was ich poste, wie viele mögen meine Fotos? Das ist für viele Menschen ein wichtiges Echo. Und manchmal, hat mir neulich jemand gesagt, wenn mir das ganze Leid der Welt zu viel wird, dann stell’ ich ein neues Video von meiner Katze online und freue mich, wenn es anderen gefällt …

Es könnte ja sein, dass wir einander in den realen Kirchengemeinden viel zu selten "liken" oder uns dafür interessieren und daran freuen, was jemand anderem gefällt. Und immer wieder höre ich von Menschen, die am Sonntag in die Kirche gehen und danach sagen: "Ja, irgendwie war es schon okay, aber mich hat niemand angesprochen, ich bin hinterher einfach so wieder rausgegangen, wie ich reingekommen bin."

Aber ich erlaube mir noch einen anderen Gedanken: In der Gemeinde, zu der ich gehöre, muss ich nicht ständig darüber nachdenken, auf welche Weise ich meinen "Freunden" am besten gefallen könnte. Und irgendwie schätze ich an meiner Kirchengemeinde, dass da – wenn es gut geht – die, die gerade nicht so gut drauf sind, angestrengt und anstrengend sind, träge oder traurig, eben auch dazugehören.

Das hat ganz fundamental etwas mit dem Evangelium zu tun, das mir einerseits sagt, dass die Welt sich nicht um mich dreht – und mir andererseits erlaubt, auch mal schwach und hilflos und ganz und gar nicht "likeable" zu sein. All das gehört – unter anderem – zu dem, was eine Kirchengemeinde für mich interessant und lebensnah macht. Und manchmal finde ich dort Menschen, die mein Leid einfach aushalten, ganz ohne Katzenvideo.