Herr Macht, viele Menschen verzichten in der Passionszeit auf bestimmte Lebens- und Genussmittel. Fasten Sie auch?

Macht: Ehrlich gesagt nein.

Körperlich gesehen: Bringt ein solcher Verzicht irgendetwas? Macht mich das gesünder, lässt sich dadurch dauerhaft abnehmen?

Macht: Das ist eher unwahrscheinlich. Wenn es während des Fastens zur Gewichtsabnahme kommt, ist das meist nur vorübergehend. Nach einigen Wochen oder Monaten kommt es wieder zur Rückkehr zum alten Gewicht - jedenfalls dürfte das in den allermeisten Fällen so sein.

Und wie schaut es mit meiner Seele, meiner Psyche aus? Gerade in der Passionszeit betreiben viele Menschen ja auch "Heilfasten"...

Macht: Die Technik des Fastens, der Askese ist eine uralte Technik, um eine gewisse Läuterung zu erreichen. Dazu gehört meistens, dass man nicht nur die normalen Nahrungsreize reduziert, sondern sich auch aus der sonstigen Betriebsamkeit in Beruf und Freizeit etwas zurückzieht. So kann man zweifelsohne eine gewisse psychische Erholung erreichen.

Sie halten generell wenig von Diäten, um erfolgreich abzunehmen. Was unterscheidet eine Fastenkur Ihrer Ansicht nach davon?

Macht: Bei Diäten ist es so, dass sie sich im besten Fall als nicht wirksam erweisen, also die Gewichtsabnahme nur vorübergehend ist. Wer viele Diäten macht, erreicht meistens sogar das Gegenteil - den sogenannten und bekannten Jojo-Effekt, also dass man einige Monate nach der Diät sogar noch mehr wiegt als zuvor. Kurzfristige Diäten sind ungünstig, es sind Geschäftsmodelle für diejenigen, die sie entwickeln und verkaufen. Das Fasten hat eine andere Dimension, das kommt aus dem religiösen Kontext. Es kann helfen, den Geist, die Seele zu beruhigen.

Ausgangspunkt fürs Fasten sollte also nicht das Abnehmziel sein?

Macht: Nein, es geht ja um etwas anderes. Außerdem wird man eine langfristige Gewichtsabnahme alleine durch Fasten nicht erreichen. Wenn es ums Abnehmen geht, muss man in der Regel weniger Energie zu sich nehmen, als man verbraucht - und zwar nicht nur wenige Wochen, sondern dauerhaft. Dazu muss man die Ess- und Ernährungsgewohnheiten langfristig verändern.

Wer schon einmal eine Diät gemacht oder gefastet hat, kennt Heißhungergefühle. Kriegt man die irgendwie in den Griff?

Macht: Man kann durchaus üben, solche Gefühle auszuhalten - das ist aber doch eher etwas für Hungerkünstler oder asketische Mönche. In der Regel ist es so, dass man bei einer Crash-Diät Heißhunger bekommt, das ist eine ganz natürliche Reaktion. Wer sich dann nicht absolut unter Kontrolle hat, gibt dem Hunger nach, isst vielleicht dann noch viel zu viel, hat anschließend ein schlechtes Gewissen, ist von sich enttäuscht - und lässt die Diät sein. Es endet mit dem frustrierendem Gefühl, das eigene Verhalten nicht ändern zu können.

Wo liegen denn die größten Hemmnisse beim Verzichten: Ist das der knurrende Magen oder der innere Schweinehund?

Macht: Das ist sicher von Person zu Person unterschiedlich, was als besonderes Hemmnis erlebt wird. Das größte Problem liegt darin, dass unsere Nahrungsaufnahme in hohem Maße automatisiert ist, sie setzt sich aus sehr tiefsitzenden Gewohnheiten zusammen. Die zu verändern, das ist schwierig. Das kann am Anfang ganz gut funktionieren, etwa mit einer Nahrungsumstellung. Im Laufe der Zeit lässt die kognitive Kontrolle aber nach und die alten Gewohnheiten können wieder zurückkehren.

Nach dem wochenlangen Fasten wollen sich viele Menschen irgendwie belohnen. Ist das aus psychologischer Sicht gut?

Macht: Das macht durchaus Sinn. Fastenbrechen ist ja auch ein altes Ritual. Durchs Fasten fährt der Körper im Idealfall ein bisschen runter, auch physiologisch, parallel geht oft eine Schärfung der Wahrnehmung einher. Man kommt so in einen Zustand, in dem man Essen wieder mehr genießen und wertschätzen kann. Das ist durchaus eine gute Übung.

Das gilt sicher nur für das allumfassende Fasten - oder ist es auch sinnvoll, auf bestimmte Dinge wie Alkohol und Süßes zu verzichten?

Macht: Ich halte generell nicht viel von zu vielen Soll-Bestimmungen, was das Essverhalten betrifft. Was man beim Fasten weglässt und was nicht, das muss jeder für sich selbst bestimmen und herausfinden. Wer traditionell fastet, der isst ja nicht nur weniger, sondern begibt sich in einen speziellen Kontext, der mehr Besinnung ermöglicht und in dem man zu sich selbst finden kann. Alleine übers Essen zu Fasten, das hielte ich für schwierig, weil man auch aus der Alltags-Betriebsamkeit irgendwie herauskommen muss.

Viele lassen es beim Fastenbrechen dann richtig krachen und schlemmen erst einmal. Führt das die Idee nicht ad absurdum?

Macht: Traditionell steigt man nach dem Fasten langsam wieder in ein normales Essverhalten ein - und in den übrigen Alltag. Fressgelage sind nach so einer meditativen Phase sicher nicht der beste Weg. Einer der Gedanken hinter dem Fasten ist ja auch, dass man Nahrung wieder ein bisschen mehr wertschätzt. Das tut man bei Fressgelagen eher selten.

Inwiefern ist so ein Belohnungsessen aus Ihrer Sicht schon problematisch? Wie kann mir das schaden?

Macht: Essen als Belohnung ist an sich erst mal nichts problematisches. Es kommt wie bei so vielem auf das Maß der Dinge an. Man muss sich klarmachen, dass das Essverhalten variantenreich ist, beinahe jeder Mensch isst anders, es gibt unzählige Essmuster. Problematisch werden sie immer erst dann, wenn sie Leid verursachen oder die körperliche Gesundheit gefährden. Das trifft auf einmalige Fressgelagen nicht zu.

Das heißt, Kindern für irgendetwas ein Belohnungs-Eis zu versprechen ist kein Problem?

Macht: Nein, daran ist nichts im Grunde nichts auszusetzen - wenn man es nicht übertreibt. Man sollte einem ohnehin schon übergewichtigen Kind nicht jeden Tag ein Eis versprechen, wenn es seine Hausaufgaben gut macht, da muss man andere Strategien entwickeln. Man tut dem Kind damit ja keinen Gefallen. Grundsätzlich erzeugt Essen ein Wohlbefinden, das ist angenehm und das darf man auch als Belohnungsmöglichkeit nutzen. Im Falle der Hausaufgabe wäre es aber sicher besser, dem Kind eine Freude an der Leistung zu vermitteln, anstatt es mit Schokolade zu locken.

Essen soll Spaß machen, ein sinnliches Erlebnis sein. Da ist der Weg zum ungesunden Belohnungsessen nicht weit, oder?

Macht: Die Grenzen sind manchmal fließend, ja. Man muss sich immer den genauen Kontext ansehen. Wenn jemand das Essen mit Ängsten oder Schuldgefühlen verknüpft, führt das zu psychischem Leid. Wenn sich jemand der Nahrung über einen längeren Zeitraum verweigert, schadet das natürlich dem Körper - ebenso, wenn man langfristig zu viel zu sich nimmt. Da muss viel passieren, ein pathologisches Essverhalten tritt nicht von heute auf morgen auf.

Kann übertriebenes Fasten dafür anfällige Menschen denn beispielsweise in die Magersucht führen?

Macht: Das kann man zumindest nicht ausschließen. Wenn ich mir eine junge Frau vorstelle, die psychisch nicht sonderlich stabil und mit ihrem Körper unzufrieden ist, kann ein wochenlanger Nahrungsverzicht oder zumindest eine Nahrungsreduktion durchaus eine Art Initialzündung für ein krankhaftes Essverhalten sein. Problematisch ist es, wenn die Einschränkung des Essverhaltens den Selbstwert fördert, also ein Versuch ist, die eigene Unsicherheit zu überwinden.

Am Aschermittwoch beginnt die Fastenzeit, in der viele Christen auf bestimmte Lebensmittel oder schlechte Angewohnheiten verzichten. Wer fastet und warum?  Lesen Sie in unserem Dossier mehr zum Thema Fastenzeit: www.sonntagsblatt.de/Fastenzeit