Ich verstehe mich gut mit meinem 25-jährigen Sohn, und mein Mann und ich haben in den letzten Jahren auch ein sehr gutes freundschaftliches Verhältnis zu seiner Freundin bekommen. Für fast zwei Jahre war sie so etwas wie ein Familienmitglied, und wir haben viel Zeit gemeinsam verbracht.

Vor Kurzem hat mein Sohn diese Beziehung beendet, er hat bereits eine neue Freundin. Und er meint, wir sollten uns doch bemühen, mit seiner neuen Freundin auch so ein gutes Verhältnis zu bekommen.

Aber im Moment sind mein Mann und ich immer noch verärgert darüber, dass seine alte Freundin nicht mehr da ist. Eine Bekannte von mir hat gesagt: "So ist das halt mit den Freunden der Kinder, sie kommen und sie gehen, da kannst du gar nichts machen." Aber ich vermisse sie wirklich und will nicht einfach so tun, als wäre nichts gewesen.

Frau B. (63)

Es klingt, als wäre die Trennung für Sie unerwartet gekommen, ohne die Zeit, sich gedanklich darauf vorzubereiten oder sich zu verabschieden. Eine pragmatische "Lösung" wäre, dass Sie diesen Abschied jetzt nachholen, der Ex-Freundin Ihres Sohns einen Brief schreiben, in dem Sie sagen, dass Sie die gemeinsame Zeit mit ihr schön fanden und ihr alles Gute wünschen. Aber es geht ja um mehr.

Vielleicht erwartet Ihr Sohn Unterstützung von Ihnen in dieser Situation. Er möchte, dass Sie die Wahl seiner neuen Partnerin gutheißen. Dass Sie seine Ex-Freundin immer noch mögen empfindet er vielleicht als Akt der Illoyalität ihm gegenüber. Womöglich erinnern Sie ihn mit Ihren Reaktionen ja an die Verletzungen, die er durch die Trennung bewirkt hat.

Andererseits können Sie von ihm erwarten, dass er versteht, dass Sie Zeit brauchen, um mit dieser Veränderung fertigzuwerden. Gute Beziehungen entstehen nicht auf Kommando und seine Art, Beziehungen zu beenden und neu zu beginnen, unterscheidet sich (womöglich nicht nur in der Geschwindigkeit) von der Ihren.

Und schließlich fehlt in Ihrem Brief noch ein wichtiger Aspekt: nämlich die Frage, wie die Ex-Freundin das denn jetzt sieht. Vielleicht ist sie im Moment ganz froh, Abstand zu haben zu dem, was in den letzten beiden Jahren war - und dazu gehören eben auch Sie.

Sie merken schon: Es geht darum, dieses delikate Gefüge von Beziehungen genauer wahrzunehmen und sorgsam zu spüren, welche Art Abstand jetzt für alle Beteiligten angemessen ist. Das ist ein bisschen so wie bei einem Mobile, wo ein Teil verschoben worden bzw. ein neuer Teil dazugekommen ist. Plötzlich stimmt die Balance nicht mehr.

Vielleicht gelingt es Ihrem Sohn, eines Tages wieder eine normale Beziehung zu seiner Ex-Freundin herzustellen. Dann ist es auch für Sie einfacher, mit ihr wieder in Kontakt zu kommen. Aber im Moment ist es wichtig, sich klar zu machen, dass es zwar einerseits schön ist, wenn Freunde und Freundinnen unserer Kinder zum Teil des eigenen Lebens werden -, dass es aber auch wichtig ist, sie wieder gehen zu lassen und mit ihnen manchmal eben auch die Vorstellungen, Fantasien und Hoffnungen, die Eltern sich vom Leben ihrer erwachsenen Kinder machen.