Schon am Samstagvormittag waren rund 70 Grundschulkinder auf das Gelände des Jugendzentrums "Halle 9" in Ingolstadt gekommen. Hier konnten sie nach Herzenslust spielen, Apfelsaft auspressen, Luthergeschichten hören oder Segway fahren. Ab 14 Uhr strömten die Jugendlichen aufs Gelände. Die Herbstsonne lachte, während sich die Teens auf Halfpipe, Kletterwand oder am Menschenkicker verteilten. Es gab einen Schnellkurs in Selbstverteidigung, wer wollte konnte alkoholfreie Cocktails mixen oder Graffiti gestalten. Doch für eine Stunde zogen sich alle in den Saal zurück, wo sie über die Zukunft von Kirche, Politik und Gesellschaft diskutierten. Grundlage war eine Studie, die Jugendliche nach ihren Wünschen befragt hatte.

"Lutherfutter Live": Jugend hat eigene Meinung

Mit einem kleinen fahrbaren Kirchlein war Diakon Sebastian Schäfer und sein Team von Januar bis Juli auf Tour gegangen. Über 2.200 Kinder und Jugendliche in Kirchengemeinden und Schulen konnten sich nicht nur über die Reformation und Martin Luther informieren, die älteren Schüler schrieben auch ihre eigenen Thesen auf, um sie danach ans Holzkirchlein "TourTür" zu nageln. Dabei kam eine stattliche Anzahl an Thesen heraus: "Jugend spricht. Jugend hat eine Meinung. Das alte Klischee, Jugendliche hätten nichts zu sagen, können wir auf keinen Fall bestätigen", sagte Jugendreferent Sebastian Schäfer.

Einige der Forderungen, die bei der Podiumsdiskussion gestellt wurden, waren unter anderem kürzere und modernere Gottesdienste. Einiges könnte dabei entstaubt werden. Das sah auch Dekanin Schwarz ein, immerhin seien schon heutige Rentner von Jugend an mit Rock- und Popmusik aufgewachsen. "Das sollte sich auch in den Gottesdiensten niederschlagen." Regionalbischof Hans-Martin Weiss
sah seine Sicht auf die Jugend bestätigt: "Diese friedliche Grundstimmung, diese freundliche Grundhaltung und die Bereitschaft, das Eigene dazuzutun, ist mir schon öfter begegnet – und heute eine erfreuliche Bestätigung."

Regionalbischof Hans-Martin Weiss im Gespräch mit den Jugendlichen
Regionalbischof Hans-Martin Weiss sprach mit den Jugendlichen über ihre Wünsche und Vorstellungen.

Beim Blick in den Saal, der von einem Kreuz in Pink und Hellblau ausgeleuchtet war, kam Weiss ins Schwärmen – man solle darüber nachdenken, ob es sinnvoll sei, "für Jugendliche immer alte Kirchen zu renovieren. Vielleicht sollte man lieber über völlig neue Räume nachdenken."

Insgesamt zeigten sich die Jugendlichen interessiert, besonders bei Fragen zu Frieden, Umwelt, Gerechtigkeit und Toleranz anderen gegenüber. Einen Tag vor der Bundestagswahl stellte die EJ-Landesvorsitzende Paula Tiggemann fest: "Wir sollten viel, viel lauter werden und unsere Forderungen und Ideen bei Politik, Kirche und Gesellschaft einbringen. Ich glaube, wir könnten da viel bewirken."

Jugend wünscht sich bei "Lutherfutter Live" Halt und Zuflucht

Als Kernaufgabe der Kirche wurde von Jugendlichen unter anderem die Sorge um andere Menschen angesehen. Am meisten Mitgefühl zeigten dabei Mittelschüler. Junge Menschen wünschten sich Halt und einen Zufluchtsort, auch das war ein Ergebnis der Studie.

Erschreckend war für Diakon Schäfer, dass besonders bei Grundschülern die Meinung der Eltern herauszuhören war. Für ihn folgte daraus, "dass man echt aufpassen muss, welche Stammtischparolen man beim Abendessen von sich gibt. Kinder übernehmen das eins zu eins."

500 Jahre Reformation

Dossier

Vor 500 Jahren hat der Theologe Martin Luther (1483-1546) mit der Veröffentlichung seiner 95 Thesen die Reformation angestoßen, die zur Spaltung von evangelischer und
katholischer Kirche führte. Wie haben Gemeinden, Dekanate und Kirchenkreise das Reformationsjubiläum 2017 gefeiert? Was ist für den Reformationstag am 31. Oktober geplant? Und warum ist der dieses Jahr ein Feiertag? Erfahren Sie mehr in unserem Dossier unter www.sonntagsblatt.de/reformation!