Das Motto des dekanatsweiten Reformationsfests lautet "In Freiheit glauben" – was heißt das?

Kittelberger: Wir Christen lieben die Freiheit und innere Unabhängigkeit – das wollen wir zeigen und gemeinsam leben. Es gilt, was Martin Luther bemerkte: "Soviel Glauben du hast, soviel Lachen hast du." Wonach richten wir uns aus, was sind unsere inneren Werte, was bedeuten die Zehn Gebote in dieser Zeit? Es gibt viele Flüsterer um uns herum. Denen wollen wir nicht lauschen, sondern selber schauen, wo unsere Position ist.

Heißt "in Freiheit glauben" in Zeiten der Wellness-Spiritualität nicht auch, dass jeder glauben soll, was er mag?

Kittelberger: Gerade nicht. Wir binden uns an das Evangelium von Jesus Christus. Unser Mittel- und Bezugspunkt ist Gott. Individuelle Glaubenskonzepte kreisen hingegen immer nur um sich. Dieser ewigen Selbstinszenierung müssen wir nicht hinterherlaufen, der Selbstoptimierung nicht auf den Leim gehen. Unser Glaube ermöglicht es uns, dass wir es ertragen, auch zu scheitern. Wir bewegen uns in einem stabilen Dreieck von Gott, uns selbst und dem Nächsten. Wer nur um sich selbst kreist, verliert Gott und den Nächsten.

Das Fest spielt sich auf dem Odeonsplatz mitten in der Stadt ab: Inwiefern hat das Reformationsjahr einen missionarischen Anspruch?

Kittelberger: Wir haben das Fest bewusst auf einen Donnerstagabend gelegt, nicht auf Sonntagvormittag. Wir wollen uns mitten in der Stadt präsentieren und zeigen, wo Glaube im Alltag vorkommt.

Zwei Wochen nach dem "Glaubensfest" findet in der Dekanatskirche St. Markus die Tagung "Kirche findet Stadt" statt. Wo kommen evangelische Kirche und Stadt München denn schon zusammen?

Kittelberger: Politisch gibt es einen starken Schulterschluss beim Thema Rechtsextremismus. Die Stadtspitze sucht das Gespräch auch beim Thema Wohnungsnot oder allgemein bei sozialen Belangen. Ich erlebe es so, dass Kirche manchmal das Gewissen der Stadt ist. Wir können Brücken im interreligiösen Dialog schlagen und Gesprächsräume anbieten. Wir haben keine Angst, uns einzumischen – das findet Resonanz und trägt Früchte.

Wo Kirche sich gern noch stärker einbringen möchte, das sind ethische Fragen nicht nur im medizinischen Bereich, sondern auch bei Wirtschaft und Verkehrsplanung. Wie bekommen wir nach der "autofreundlichen" wieder eine "menschenfreundliche" Stadt? Die Reformation hat vor 500 Jahren den Menschen in den Mittelpunkt gerückt. Das ist auch heute wieder gefragt.

Gibt es schon einen Plan für das Lutherloch nach dem 31. Oktober 2017?

Kittelberger: Das Reformationsjahr hält viele ganz schön in Atem. Ich glaube, dass die Menschen auch froh sind, wenn sie Ende 2017 wieder ausatmen dürfen. Dann kann man in Ruhe schauen, was das nächste Jahr bringt, und die Anstöße aus 2017 weiterführen. Auf jeden Fall wollen wir unseren Glauben immer wieder so zur Sprache bringen, dass Menschen Lust bekommen, mitzumachen. Zum Beispiel im Kirchenvorstand: 2018 wird neu gewählt – das packen wir mit dem Schwung des Reformationsjahrs an.

 

Reformationsfest "In Freiheit Glauben": Das Programm

Die Veranstaltung des evangelisch-lutherischen Dekanats München auf dem Odeonsplatz (80539 München) geht am 29. Juni 2017 von 18 bis ca. 22.30 Uhr. Mehr Infos zum Programm finden Sie hier und unter www.muenchen-evangelisch.de.