Der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat gefordert, dass die sogenannte "Querdenker"-Bewegung zum Prüffall für den Verfassungsschutz wird.

"Ich würde der Meinung sein, dass 'Querdenken' tatsächlich zum Prüffall für den Verfassungsschutz werden sollte", sagte der Würzburger Schuster am Sonntag in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin". Auch der Antisemitismusbeauftragte der bayerischen Staatsregierung, Ludwig Spaenle, äußerte sich ähnlich.

Schuster: Äußerungen der "Querdenker" gehen teilweise über freie Meinungsäußerung hinaus

Schuster sagte, das, was bei den "Querdenkern" artikuliert und gesagt werde, "geht einfach bei weitem über das hinaus, was man auch in einer Demokratie mit freier Meinungsäußerung akzeptieren soll und akzeptieren muss".

Der in Würzburg lebende Präsident des Zentralrates forderte darüber hinaus, das Zeigen von sogenannten Judensternen auf den Demos strafrechtlich zu verfolgen. Das seien "völlig abscheuliche Vergleiche", die keiner ernsthaften Überlegung und Nachforschung standhielten.

Innenminister Herrmann: Derzeit kein förmlich gesetzlicher Beobachtungsauftrag 

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte zuvor bereits erklärt, dass der förmliche gesetzliche Beobachtungsauftrag des Verfassungsschutzes für die "Querdenken"-Bewegung momentan nicht eröffnet sei.

"Sollten in Zukunft tatsächliche Anhaltspunkte für extremistische Bestrebungen bei der 'Querdenken'-Bewegung oder anderen Gruppierungen vorliegen, wird der Verfassungsschutz die Beobachtung natürlich aufnehmen, und zwar unverzüglich", sagte er dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland" (Sonntag).

Spaenle: Aufruf zu erhöhter Wachsamkeit

Der Antisemitismusbeauftragte Spaenle rief die Behörden und die Gesellschaft zu erhöhter Wachsamkeit auf. Man müsse genau hinschauen und hinhören, "wer sich da alles unter dem Label 'Querdenken' versammelt", teilte er am Montag in München mit.

Demos gegen die Corona-Maßnahmen seien legitim, doch unter dem Deckmantel von "Querdenken" bewegten sich auch Gegner der Demokratie, Rechtsextreme und Verbreiter antisemitischer Verschwörungstheorien: "Da dürfen wir nicht zuschauen."

Besondere Sorge bereitet Spaenle, dass sich Gegner der Corona-Maßnahmen auf eine Stufe mit den vom NS-Regime verfolgten Jüdinnen und Juden setzten und sich selbst als Widerstandskämpfer gegen eine angeblich undemokratische Regierung stilisierten.

Er sei deswegen dankbar, dass der Verfassungsschutz sowie die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Bayern "aufmerksam die Entwicklung verfolgen". Die Behörden jedenfalls sollten eine Beobachtung der "Querdenker" weiterhin erwägen, forderte Spaenle. 

Schuster: "Wehrhafte-Demokratie-Gesetz" umsetzten

Der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland äußerte außerdem die Sorge, dass das geplante "Wehrhafte-Demokratie-Gesetz" in dieser Legislaturperiode nicht mehr umgesetzt werden könnte. Er sorge sich, dass die jüngst beschlossenen 89 Maßnahmen mit einer neuen Legislaturperiode "in irgendeiner Schublade des deutschen Bundestages verschwinden" könnten.

"Wenn wir tatsächlich etwas gegen zunehmenden Rechtsextremismus, Antisemitismus, Rassismus tun wollen, dann gilt es, genau diese Vorschläge umzusetzen", sagte Schuster.