"Es sieht aus wie nach dem Krieg", sagt ein schockierter Pfarrer am Morgen des 5. Juni 2014 in die Mikrofone der Reporter. In der Nacht zuvor ist die Marthakirche bis auf die Grundmauern abgebrannt.

Der Dachstuhl der 450 Jahre alten Kirche in der Nürnberger City ist eingebrochen, die beiden Glocken heruntergefallen, die Orgel geschmolzen. Der evangelisch-reformierte Pfarrer Dieter Krabbe, der bereits seit 1990 in dieser Kirche Dienst tut, steht plötzlich in der Öffentlichkeit.

Krabbe reagierte ruhig und freundlich

Ruhig und freundlich beantwortet er Fragen zur Katastrophe. Nach der ersten "Schockstarre" sagt er bald, "ohne Visionen kommen wir nicht weiter. Das hat sonst nichts mit dem Kirchenverständnis unserer reformierten Kirche zu tun".

Heute stellt er im Gespräch fest, der Brand vier Tage vor Pfingsten sei vielleicht "ein Wink gewesen, dass wir uns als Gemeinde im dritten Jahrtausend neu aufstellen müssen".

Pfarrer Dieter Krabbe verabschiedete sich in den Ruhestand

Vergangenen Sonntag (24. Januar) ist der dienstälteste Nürnberger Pfarrer in den Ruhestand gegangen. Es passt ganz wenig zu dem humorvollen, freundlichen und kontaktfreudigen Mann, dass er sich nicht mit einem Fest in der neu aufgebauten und mit Architekturpreisen ausgezeichneten Kirche verabschieden konnte.

Bei einer solchen Feier wäre er vielleicht in das Kostüm des Johannes Zwingli geschlüpft und hätte in der Rolle die Geschichte erzählt, wie es zwischen Zwingli und Martin Luther zum "Krach über das Abendmahl kam". Oder er wäre in einem Clownskostüm aufgetreten und hätte die Kinder zum Lachen gebracht.

Pläne für die Zukunft

Er hat einmal eine Ausbildung zum Clown angefangen, um vielleicht Klinikclown zu werden, erzählt Krabbe. "Das könnte ich mir vorstellen, Kinder zum Lachen zu bringen." Eventuell werde er diesen Kurs nun im Ruhestand noch zuende bringen.

Irgendeinen "kleinen Job" werde er auf jeden Fall noch machen. Als "spätberufener Vater" mit vier kleinen Kindern werde er aber auch so auf Trab gehalten.

1980 kam Krabbe nach Franken

Aus dem Norden, der Grafschaft Bentheim an der niederländischen Grenze, hat es Krabbe in den 1980er Jahren nach Franken verschlagen. Noch heute spricht er die Sprache des Nordens, verwendet Worte wie "Flausen" und "Rasselbande".

Gefremdelt hat er aber nie, denn er sieht Parallelen zwischen den Franken und den Ostfriesen, die "furchtbar stur und danach sehr treu sind". Deshalb ist der Pfarrer nach seinen vier Jahren Dienst in Jerusalem wieder zurück nach Nürnberg gegangen.

Engagement für den christlich-jüdischen Dialog

Der Dialog mit den Juden ist ihm ein Anliegen. Einer seiner Weggefährten, der spätere lutherische Landesbischof Johannes Friedrich, lobt sein starkes Engagement für den christlich-jüdischen Dialog.

Krabbe, der auch Bücher über jüdisches Leben verfasst hat, erzählt, dass er in Nürnberg in der jüdischen Gemeinde "offene Türen und gute Freunde gefunden hat". Im Archiv findet sich eine Meldung aus dem Jahr 1998, als Krabbe evangelikale Kreise kritisiert, "sich wie ein Löwe auf seine Beute" auf jüdische Kontingent-Flüchtlinge zu stürzen. Man müsse die jüdischen Gesprächspartner verstehen und akzeptieren.

Klar und deutlich reden kann er. Eine Eigenschaft, die ihm viele Jahre auch als Rundfunkprediger zugutekomme. Seine Kurzandachten waren in den privaten Regionalsendern zu hören.

Sorgen und Freuden mit den Menschen teilen

Trotz solchen Engagements - er verstehe sich in erster Linie als Seelsorger, sagt Krabbe. Er wolle mit den Menschen ihre Freuden und Sorgen teilen. Das sei die primäre Aufgabe der Kirche und die habe ihm "wahnsinnig viel Spaß gemacht".

Gerne hätte er in seiner Gemeinde noch mehr das diakonische Profil vorangebracht, denn gastfreundlich zu sein stehe gerade einer Gemeinde, die nach der Martha aus der Bibel benannt sei, gut an. Aber ein evangelisch-reformierter Pfarrer hat nur eine Stimme im Presbyterium, dem Kirchenvorstand, und kann bei Vorhaben überstimmt werden. "Das ist manchmal leidvoll, aber manchmal auch gut", sagt er versöhnlich.

"Basisdemokratisch von oben bis unten" sei eben seine reformierte Kirche. Alle in der Gemeinde seien auf einer Augenhöhe, jede Gemeinde sei die Kirche Jesu Christi, "und ich muss nicht immer in der ersten Reihe rumturnen".