"Unter gar keinen Umständen darf man Menschen ertrinken lassen. Aus christlicher Sicht ist diese Forderung bedingungslos". Mit diesen Sätzen beginnt das Statement der Nürnberger Dekaninnen und Dekane zu einer Diskussion, die ein Nürnberger Pfarrer mit einem Leserbrief zum Thema Seenotrettung losgetreten hat.

Die Dekane reagierten darauf in den Social-Media-Kanälen und auf der Internetseite des Dekanats.

Ein Schiff - wie das von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) mitfinanzierte "Sea-Watch 4" - sei zwar keine politische Lösung: "Aber bis eine solche gefunden ist, ist es ein Beitrag zu einer menschlichen Lösung aus einer diakonischen Haltung der Liebe heraus."

Grund für das klare Statement: Der Seelsorger an der Nürnberger Melanchthon-Gemeinde, Pfarrer Matthias Dreher, hatte seinen Beitrag in der Oktober-Ausgabe des "Korrespondenzblattes" des bayerischen Pfarrer- und Pfarrerinnenvereins mit den Worten überschrieben "Ein Christ kann ertrinken lassen".

Durch einen Artikel in der Wochenendausgabe der "Nürnberger Nachrichten" über diesen Text ist nun eine heftige Debatte entfacht worden. Das "Korrespondenzblatt" ist für jedermann online lesbar.

Umstrittenes Statement online

Dreher schreibt unter anderem, "nur wer den Bau des Reiches Gottes nicht Gott überlassen kann, sondern es selbst bewerkstelligen muss, wird weiter unverantwortlich mit Rettungsschiffen mehr Migranten aufs Wasser ziehen".

Er kritisiert in Richtung des bayerischen Landesbischofs und EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm, "dass akademisch hochgebildete Ethiker auch in der Kirchenleitung", ihre Haltung zur Seenotrettung von Flüchtlingen nicht tief genug begründen.

"Der Meinungskorridor verengt sich viel zu sehr", sagt der nun kritisierte Pfarrer dem Sonntagsblatt. "Es wird so getan, als ob es nur eine ethische christliche Auffassung gibt." Aber auch zur Stammzellenforschung, Klimaschutz oder Atomkraft gebe es schließlich unterschiedliche Meinungen von Christen.

Er sei kein Zyniker, "der schadenfroh an der Reling steht und den Menschen beim Ertrinken zusieht", rechtfertigt sich Dreher.

Er halte aber Hilfe an anderer Stelle, etwa Bildungsangebote für Mädchen und Frauen in den Entwicklungsländern für unterstützenswerter als Seenotrettung: "Wenn wir ein Schiff schicken, ändern wir keine Strukturen."

Mehrheit der Pfarrer lehne seine Meinung ab

Der Ruhestandspfarrer Martin Ost, derzeit für die Redaktion des "Korrespondenzblattes" verantwortlich, räumt ein, der Text von Dreher sei "vom Ton her außerhalb der Diskussion". Der Pfarrer- und Pfarrerinnenverein sei aber kein theologischer Richtungsverein. Die Vereinszeitung biete als "altmodischer Chatroom" ein Forum für das innerkirchliche Gespräch.

Man habe Drehers Leserbrief einem Faktencheck unterzogen und ihm daher einen redaktionellen Anhang gegeben. Und die Nürnberger Dekaninnen und Dekane haben ihrem Statement Links zu Berichten angefügt, die über die Toten auf dem Mittelmeer informieren oder über die Herkunft der Flüchtlinge.

Er wisse, dass die Mehrheit der Pfarrer Drehers Meinung ablehne, sagt der frühere Markt Einersheimer Dekan Ost. Aber er habe seit langem "das dumpfe Gefühl", dass es unter den Kollegen welche gebe, die dem bürgerlichen Teil der AfD nahestünden.

Und er kritisiert die sehr konservativen Christen, die jegliche politische Äußerungen der Kirche ablehnen.

"Ehrliche Auseinandersetzung" mit Drehers Leserbrief folge

Auf solche, "die uns ständig ins Bein schießen", wird seiner Ansicht nach in der Kirche zu viel Rücksicht genommen. Für einen bayerischen Pfarrer sollte klar sein, dass er auch eine gewisse Verbundenheit mit der Institution Landeskirche zeigt.

Ost begrüßt jedenfalls die "ehrliche Auseinandersetzung", die jetzt auf Drehers Leserbrief folge. Er habe in der November-Ausgabe dafür bereits ein paar Seiten freigehalten.

Im Netz gibt es bereits die Reaktionen auf Dreher: Von "menschenverachtender Herzlosigkeit", die auch noch theologisch ummantelt sei, ist dort die Rede. Oder kurz und deutlich: "widerlich und erbärmlich".