"Das ganze Etablissement macht einen hocheleganten Eindruck und bildet eine echte Zierde unseres schönen Taubertals." So beschloss die "Fränkische Zeitung" anno 1903 ihre Lobeshymne auf das neue Kurhotel am Fuß der Altstadt. Errichtet hatte es der Prothesenfabrikant Friedrich Wilhelm Hessing an einem Ort, der bereits im Hochmittelalter als Heilbad in Betrieb war.

Kirchliches Tagungshaus im Jugendstilpalast

Der Jugendstilpalast mit all den Türmen und Erkern, glanzvollen Sälen und Stuckdecken, mit dem herrlichen Park samt Kegelbahn und Pavillon brachte allerdings weder Hessing noch den vielen Nachfolgebesitzern Glück. Zuletzt scheiterte die "Gesellschaft für Transzendentale Meditation" (TM) im Jahr 1977: Im allerletzten Moment, die ersten TM-Tagung hatte schon stattgefunden, nutzte die Stadt Rothenburg ihr Vorkaufsrecht und reichte die Prachtimmobilie an die evangelische Landeskirche weiter.

Wildbad Rothenburg: Glaubensseminare und Jakobspilgern

Auch dort hat man sich nicht immer leicht getan mit dem mondänen Wildbad. Inzwischen wurde das Haus nicht nur mit 1,7 Millionen Euro (seit 2010) baulich gefestigt und aufgehübscht, sondern man hat ihm auch noch eine gesellschaftspolitische Leuchtturm-Funktion verliehen. In der gediegenen Atmosphäre von Hessings Märchenschloß soll nach dem Willen der Landessynode der lange vernachlässigte Diskurs zwischen Kirche und Arbeitswelt stattfinden.

Zum eigenen Bildungsprogramm gehören außerdem Glaubensseminare oder Angebote für Jakobspilger - immerhin treffen sich in Rothenburg zwei gut frequentierte Jakobswege. Die etwas abseits des Haupthauses gelegene Gipsmühle dient als günstiges Übernachtungsquartier für diese kleine, aber kirchlich besonders geförderte Gästegruppe.

Tagungshaus: Manager treffen auf Kirchenchor

Das Haus ist bei Kirchenchören und Kirchenvorständen, aber auch bei Unternehmerverbänden und Firmen beliebt. Rund 550 Gruppen logieren hier pro Jahr - macht gut 16.000 Übernachtungen. Dersch gefällt es besonders, wenn dabei die unterschiedlichen Lebenswelten aufeinandertreffen, etwa wenn im Speisesaal die Teilnehmer eines Management-Seminars den mittäglichen Dankkanon eines Kirchenchors mitbekommen.

Nicht nur Tagungsgäste können die Atmosphäre des Hauses erschnuppern. In den Sommermonaten wird die Wildbad-Terrasse als "Sonntagscafé" bewirtschaftet. Außerdem gibt es ein ausdrückliches Gruppenangebot, das Wildbad als Besucher zu erleben, Mittagessen und Hausführung inklusive.

Art residency

Seit 2017 spielt sich im Wildbad auch das Projekt "art residency wildbad" ab. Von einer Fachjury wird jedes Jahr eine Künstlerin, ein Künstler oder eine Künstlergruppe ausgesucht, um mehrere Monate im Wildbad zu leben und zu arbeiten - bei freier Kost und Logis. In einem künstlerisch freien und ergebnisoffenen Schaffensprozess entsteht ein Kunstwerk, das dann dauerhaft in der Parkanlage des Wildbads bleibt.

Selbst bewerben kann man sich nicht, man muss von einem der Juroren vorgeschlagen werden. Bisherige Künstler waren das Duo Böhler & Orendt (2017), Ulrike Mohr (2018), Laura Belém (2019), die Gruppe "Breathe Earth Collective" (2020), Benjamin Zuber (2021) sowie die Textilkünstlerin Arianna Moroder (2022) und im Jahr 2023 die Bildende Künstlerin Alexandra Hojenski.

Neben Kost und Logis erhalten die Künstler 30.000 Euro Budget. Das Projekt wird von der evangelischen Kirche, dem Wildbad und Sponsoren finanziert. 

Leitung des Hauses

2018 wurde der langjährige Leiter des Hauses, Pfarrer Herbert Dersch in die Altersteilzeit verabschiedet, Nachfolger wurde der evangelische Pfarrer Wolfgang Schuhmacher. Dersch, der zuvor und teilweise auch zeitgleich Pfarrer an der Rothenburger St. Jakobskirche war, hat das Wildbad Rothenburg in den vergangenen Jahren stark geprägt und unter anderem als Ort für die Bildende Kunst etabliert. 

Als wirtschaftlicher und stellvertretender Leiter ist außerdem Stephan Michels im Wildbad aktiv. 

Mit Material des epd

TAGUNGSHAUS: Evangelische Tagungsstätte Wildbad Rothenburg

  • Adresse: Taubertalweg 42, 91541 Rothenburg ob der Tauber.
  • Lage: Im mittelfränkischen Taubertal unterhalb der Altstadt. Zufahrt für PKW Richtung Schrozberg. Fußgängertreppe ab Spitalbastei. Anreise per Bahn: Von Ansbach/Würzburg über Steinach, vom Bahnhof ca. zwei Kilomenter Fußweg.
  • Zimmer und Ausstattung: 15 EZ, 50 DZ, 13 Seminarräume, Theatersaal (bis zu 250 Personen), Rokoko-Saal (bis zu 200 Personen), großer Park, Gartenpavillon
  • Mehr Infos: www.wildbad.de