Sich all seiner Gedanken bewusst werden, sich vor nichts fürchten.

(Frère Roger, Tagebucheintrag vom 8. Januar 1971)

"Nichts machte ihm Angst", sagte vor Kurzem ein alter Bruder unserer Communauté über Frère Roger. Und nach einer kurzen Stille fügte er hinzu: "Doch, er fürchtete sich auch."

Beides stimmt. In den ersten Jahren in Taizé – es war Krieg – war er zeitweise seines Lebens nicht sicher. Er hatte auch später mehr als genug Gelegenheit, das Fürchten zu lernen. Aber er suchte immer wieder den inneren Weg, der von der Angst zum Vertrauen führt.

Denn er wusste, dass unsere Ängste und Sorgen zwar sehr reale äußere Anlässe haben, dass aber wir selbst ihr eigentlicher Nährboden sind.

In unserem Inneren muss sich etwas ändern und zur Ruhe kommen.

Was uns so alles durch den Kopf und durch das Herz geht, manchmal auch nur im Traum auftaucht, gleicht einer Menagerie von mehr oder weniger wilden Tieren: Wer erschrickt nicht ab und zu, wenn er sich seiner verborgenen Gedanken bewusst wird?

Frère Roger notierte auch: In jedem von uns verbergen sich Abgründe, Unbekanntes, Zweifel, wilde Leidenschaft, geheimes Leid (…) und auch Schuldgefühle, niemals Eingestandenes, so sehr, dass sich in uns ungeheure Leeren auftun.

Ohne Furcht und unvoreingenommen hörte Frère Roger unzähligen Menschen zu. Er entsetzte sich über nichts und befreite damit seine Gesprächspartner von dem inneren Zwang, ängstlich von den eigenen Abgründen wegzuschauen oder sie trotzig und fasziniert anzustarren.

Zutiefst in uns wartet der Heilige Geist, die unwandelbare Liebe Gottes, geduldig auf jede und jeden von uns.

Im geduldigen, schlichten Gebet festigt sich die Gewissheit der Vergebung. Noch einmal Frère Roger: Wenn wir Christus mit kindlichem Vertrauen in uns beten lassen,

werden eines Tages die Abgründe bewohnbar sein.