Das kleine Püppchen mit dem kindlichen Gesicht ist neu. Welche Geschichte hinter dem bezopften Figürchen im roten Kleid steht, das in der Fürbittschale der Kapelle im Universitätsklinikum Ulm auf dem Michelsberg liegt, werden der evangelische Klinikseelsorger Erich Schäfer und seine katholische Kollegin Rachel Rau nie erfahren.

Gerade in Krankenhäusern ist es wichtig, dass Menschen anonym die Möglichkeit haben, ihre Gebete und Sorgen vor Gott zu bringen und zu erfahren, dass es ein Gegenüber gibt, dem man die Gedanken anvertrauen kann, ohne dass es gleich öffentlich wird.

Ein menschliches Urbedürfnis

»Das ist ein menschliches Urbedürfnis«, sagt der evangelische Pfarrer Erich Schäfer. Aus seiner Erfahrung heraus ist dieses Bedürfnis in Klinik-Kapellen besonders stark. »Und die Gedanken in ein öffentlich lesbares Fürbitt-Buch zu schreiben, das wird zwar auch angenommen, aber es ist nicht jedermanns Sache«, ergänzt die katholische Klinikseelsorgerin Rachel Rau.

Früher gab es in Klinik-Kapellen Kerzentische. Mit dem Anzünden einer Kerze verband man ohne Worte Bitte und Dank an Gott. Brandschutzbestimmungen machen solche Kerzentische nun unmöglich – es sei denn, die Kapellen liegen weit vom Klinikum entfernt.

Es gab Patienten und Angehörige, die mit der Regelung nicht glücklich waren. »Manchmal wurden sogar die Altarkerzen angezündet aus dem Bedürfnis heraus«, erzählt Rachel Rau. Was tun?

Muscheln, Steinchen, Dornenzweige

Erich Schäfer erklärt: »Wir haben uns bei anderen Klinikseelsorgern umgehört, wie man es dort handhabt. Und dann haben wir lange getüftelt.« Das Projekt einer Fürbittschale in der Kapelle, das er und Rachel Rau dann ökumenisch starteten, ist neu: Eine Bronzeschale wurde beim Bildhauer Matthias Eder in Auftrag gegeben. Eder schuf zusätzlich weitere Ausstattungsgegenstände der Kapelle passend aus Bronze.

Bei der Fürbittschale könnnen sich Patienten und Angehörige einen der verschiedenen kleinen Gegenstände nehmen, die im äußeren Ring der Schale liegen – Muscheln, Steinchen und Dornenzweige sind darunter. Der Gegenstand soll dann zur – doppelwandigen und brandsicheren –
Kerze in der Mitte der Schale gelegt werden.

In Gottesdiensten werden diese Gegenstände auf den Altar gebracht, und in den Fürbitten werde an jene Menschen gedacht, die sie in die Schale gelegt haben. Dass die Besucher der Kapelle aber die Fürbittschale auch durch das Ablegen eigener symbolischer Gegenstände nützen, mit denen sie ihre Sorgen oder ihren Dank verbinden, freut Erich Schäfer und Rachel Rau.

Situation in Klinik oft ungewiss

Die beiden Seelsorger haben für die Schale den Begriff »Elroi« gewählt – den Namen, mit dem im Buch Genesis die vertriebene Magd Haggar, die den ersten Sohn Abrahams geboren hatte, in ihrer Notlage in der Wüste Gott bezeichnet.

»Das Alte Testament beschreibt vielfach Vertreibung und den Beginn neuer Lebenssituation, die der betroffene Mensch noch nicht kennt«, sagt Erich Schäfer. »Das passt zur Situation in der Klinik: Eine Frau bringt ein Kind zur Welt, eine andere Familie erlebt den Tod ihres Kindes. Ein Patient verliert sein Augenlicht. Es geht hier um das Urbedürfnis, dass Gottesbegegnung auch in dem Moment lebt, in dem man ein ganz anderes Leben beginnen muss.«