Nach der Kreuzigung war die Jesusbewegung eigentlich erledigt. Ein Vers aus 5. Mose 21, 23 (»Verflucht ist, wer am Holze hängt«) wurde in Israel so gedeutet, dass ein Gekreuzigter von Gott verflucht ist, also nicht der Messias sein kann. Mit dem Kreuzestod war der messianische Traum der Jünger endgültig ausgeträumt. Jesus war widerlegt. Kein König, kein Messias, nicht einmal eine Revolte gegen die Römer kam am Ende heraus. Die Jünger waren traumatisiert, sie liefen davon und kehrten in ihre Berufe zurück.

Ist es möglich, dass sich die Jünger in dieser depressiven Phase die Auferweckung eingebildet haben?

Die Evangelien jedenfalls betonen, dass Jesus den Menschen erschienen ist - im griechischen Text steht so viel wie »er ließ sich sehen« - überraschend, oft eher Verwirrung stiftend als beglückend. Maria von Magdala ist so in ihrem Schmerz versunken, dass es eines göttlichen Wunders bedarf, dass sie Jesus erkennt (Johannes 20, 11-18). Erst in dem Augenblick, wo Jesus sie mit ihrem Namen anspricht, wacht sie auf. Die Emmausjünger sind blind für die Wirklichkeit des Auferstandenen (Lukas 24, 13-35). Stundenlang sehen sie neben sich nur einen unbekannten Wanderer, der merkwürdige Dinge erzählt, bis dieser sich beim Brotbrechen als auferstandener Jesus zu erkennen gibt. Und die Frauen am Grab? Sie zittern am ganzen Leib (Markus 16, 1-8). Man gewinnt nicht den Eindruck, dass sie auf so etwas wie Auferstehung gewartet hätten. Und wie Lukas 24, 11 berichtet, bestand der Botenlohn für die Frauen, die von den Engelserscheinungen am Grab berichten, nur aus Hohn und Spott - selbst bei Aposteln. Dafür konnten sie sich nichts kaufen, sie waren blamiert.

Gekreuzigt zu werden war für das damalige Judentum der schändlichste Tod. Gekreuzigte waren Verbrecher, Straffällige und Verfluchte. Nicht umsonst bezeichnet Paulus den »gekreuzigten Christus« als »Ärgernis«, wörtlich als »Skandal«. (1. Korinther 1, 23) Dass nun also ein Gekreuzigter auferweckt werden soll, ist unmöglich, unbegreiflich, unglaublich.

Widersprüchliche Umstände

Aber gerade diese widersprüchlichen Umstände machen die neutestamentlichen Auferstehungsberichte interessant. In Markus 16, 1-8 zum Beispiel verkünden die ersten Christen kein osterfreudiges Happy End, sondern sprechen von einer zutiefst irritierenden Erfahrung. Nach Markus 16, 8 sind die beiden Frauen am leeren Grab ergriffen von Zittern und Schrecken. Sie sind außer sich vor panischer Furcht, sie fliehen - und schweigen zunächst aus Angst. Von Osterfreude ist hier keine Spur.

»Die Ostertexte im Neuen Testament sind nicht einfach Bilder der Hoffnung für Beliebiges wie Frühling, Frieden, Liebe«, sagt der Heidelberger Theologe Klaus Berger. Wenn sich Jesu Auferstehung jemand ausgedacht hätte, wäre wohl eher ein triumphalistischer Bericht herausgekommen.

Auch dass der Vorgang der Auferstehung selbst nicht beschrieben wird, macht den Bericht nicht automatisch unglaubwürdig. Einem antiken Romanschreiber wäre wohl etwas dazu eingefallen. Ganz gegen die allgemeine Erwartung waren dann auch noch Frauen die ersten Zeuginnen der Auferstehung. In der männlich dominierten antiken Gesellschaft war es ungewöhnlich, dass Frauen eine derart wichtige Rolle zukommt - zumal im religiösen Bereich. Für das normale Volk mussten die Auferstehungsberichte der Frauen verstörend wirken.

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Wie ist das mit der Auferstehung zu verstehen?

Die ersten Christen waren nach Jesu Tod in der Defensive, es ist kaum vorstellbar, dass sie denen, die selbst Augenzeugen des Lebens Jesu Christi waren, Märchen und Legenden anbieten konnten, ohne dass diese es sofort gemerkt hätten. Unwahrheiten wären sofort angeprangert worden, auch kleinste Übertreibungen konnten sich die ersten Christen nicht leisten. Wäre die Osterbotschaft »Jesus ist auferstanden« nicht plausibel gewesen, so wäre wohl kaum ein Jünger bereit gewesen, dafür sein Leben zu opfern. Die Apostel wurden zum größten Teil Märtyrer um ihres Glaubens willen - alles nur für eine Geschichte, die sie selbst in die Welt setzten, um sich wichtig zu machen?

Dennoch steht die Frage im Raum, was denn nun »Auferstehung« genau meint. Schließlich war Jesus von Nazareth ein Mensch aus Fleisch und Blut.

Eines wird man schnell ausschließen können: Auferstehung bedeutet nicht Wiederbelebung. Jesus war tot, aber seine Auferstehung heißt nicht, dass er in sein voriges Leben zurückgekehrt ist. Es gibt abenteuerliche Hypothesen über ein solches zweites Leben Jesu. Demnach überlebte er die Kreuzigung und ging nach Indien, wo er in Kaschmir im Alter von 120 Jahren friedlich verstarb.

Schon der Evangelist Johannes verwahrte sich gegen die Scheintod-Deutung, indem er schildert, wie die Kriegsknechte als Erweis für den wirklich eingetretenen Tod Jesu Seite mit einem Speer öffnen und Wasser und Blut daraus hervortritt (19, 34).

Nach den Berichten der Evangelien ist Jesu Erscheinen als Auferstandener nicht mit einer Rückkehr ins vormals gelebte Leben gleichzusetzen: Da gibt es Jüngerinnen und Jünger, die ihn sehen, aber nicht erkennen (Johannes 20, 15; Lukas 24, 16); anderen kommt die Begegnung vor wie die Erscheinung eines Geists, nachdem Jesus durch die geschlossene Tür unter ihnen auftauchte wie aus dem Nichts (Lukas 24, 36f.); wieder andere erkennen ihn sehend oder durch Berührung (Johannes 20, 25.27).

Man kann all dies wiederum als psychologische Wunschvorstellung nach einer traumatisierenden Verlusterfahrung erklären. Doch alle diese Erscheinungen hatten etwas gemeinsam: Die Gegenwart des Auferstandenen hinterließ bei den Betroffenen einen bleibenden Eindruck, der tiefer war als alles, was sie bisher erlebten. Keiner der Jünger, die Jesus begegneten, war nach diesem Zusammentreffen noch der gleiche Mensch wie zuvor.

Jesus wird von Menschen gesehen, die sich von ihm abgewandt hatten

Zur Glaubwürdigkeit dieser Berichte trägt bei, dass Jesus nicht von Menschen gesehen wird, die ohnehin schon glauben, sondern von denen, die sich von ihm abgewandt hatten. Ohne die Begegnung mit dem Auferstandenen hätten sie sicher keine Gemeinde gegründet.

Dass die Auferstehungsberichte authentisch sind, setzt sich in der theologischen Forschung mehr und mehr durch. Der Neutestamentler Gerd Theißen sieht im Kreuz Jesu eine der unbestreitbar sichersten Tatsachen. Zu den Fakten gehört für ihn auch, dass Jesus nach seinem Tod seinen Jüngern erschienen ist. »Die Erscheinungen Jesu sind gut bezeugt«, sagt Theißen. Also: Historisch verbürgt sind der Tod Jesu, das leere Grab und die Ostererfahrungen der Jünger. Greifbar ist sozusagen der historische Rand der Auferweckung Jesu.

Die theologische Botschaft der Auferstehung: Gott hat Jesus von Nazareth nicht einem schmachvollen Tod überlassen und ihn damit dem Scheitern preisgegeben, sondern hat ihn als seinen Offenbarungsträger bestätigt. Für die ersten Christen musste dieses Handeln Gottes mit einer Gewissheit einhergehen, die unumstößlich war.

Durch alle Zeiten wurden Menschen von dieser ungeheuren Botschaft berührt: Dietrich Bonhoeffer bekannte in der Stunde seiner Hinrichtung: »Dies ist das Ende, für mich der Beginn des Lebens.«

Der spätere Studentenführer Rudi Dutschke notierte an Ostern 1963 in seinem Tagebuch: »Jesus ist auferstanden, Freude und Dankbarkeit sind die Begleiter dieses Tages; die Revolution, die entscheidende Revolution der Weltgeschichte ist geschehen, die Revolution der Welt durch die alles überwindende Liebe.« Der Liedermacher Wolf Biermann war - schon zu DDR-Zeiten - überzeugt: »Die Auferstehung ist die härteste Währung auf dem Markt, wo Hoffnungen gehandelt werden.«

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