Die Stadtmission Nürnberg nimmt bei den 300 von ihr betreuten Kindern und Jugendlichen starke negative Auswirkungen der Schließungsmaßnahmen in der Corona-Pandemie wahr.

"Es ist eine mittlere Katastrophe", stellte die Leiterin des Programms "Chancen für junge Menschen", Alexandra Frittrang bei einem Online-Pressegespräch in Nürnberg fest.

Folgen der Pandemie werden sich im Nachhinein zeigen

Obwohl jetzt schon bei vielen Kindern Auffälligkeiten wie Ängste, Aufmerksamkeitsstörungen und massive Wissenslücken festzustellen seien, würde sich das Gesamtmaß der Folgen der Pandemie erst im Nachhinein zeigen.

"Viele Kinder versuchen im Moment stark zu sein und durchzuhalten. Wie sich das auf ihre Psyche auswirkt, können wir noch gar nicht abschätzen", sagte Leonie Lawen, Leiterin der Spiel- und Lernstube Lobsinger in Nürnberg.

Vielfältige Belastungen für Kinder aus benachteiligten Familien

Besonders hart würde es Kinder aus sozial benachteiligten Familien treffen. Hier kämen gleich vielfältige Belastungen zusammen.

So lebe ein Viertel der Kinder in Nürnberg in beengten Wohnverhältnissen, die ein ruhiges Lernen im Homeschooling erschweren. Oft fehle es auch an technischer Ausstattung, viele Kinder würden über ihr Handy am Fernunterricht teilnehmen oder hätten gar kein eigenes Gerät.

"Manche Kinder verschwinden in dieser Zeit einfach von der Bildfläche, weil sie nicht am Online-Unterricht teilnehmen können", so Alexandra Frittrang.

In den Familien gebe es zudem häufiger Konflikte, zum Beispiel durch Existenzsorgen aufgrund von Kurzarbeit oder Kündigung der Eltern. Auch der Zugang zu Bewegung und gesundem Essen sei immer wieder ein Problem.

Die Stadtmission unterstützt mit ihrem Angebot Kinder und Familien

Deshalb sei es besonders wichtig, dass die Stadtmission ihre Angebote vor Ort aufrecht erhalte. Mindestens jeden zweiten Tag würden die Kinder vorbeikommen, um sich ein Lunchpaket abzuholen, Hilfe bei den Hausaufgaben zu erhalten oder einfach nur um zu reden.

"Wir sehen, dass gerade das soziale Miteinander sehr fehlt", stellte Frittrang fest. Dazu komme, dass viele Familien Informationen über die Corona-Maßnahmen kaum wahrnehmen würden, weil diese zum Beispiel nicht in ihrer Sprache angeboten würden.

"Wir hatten vor einem Jahr Familien, die dachten, sie dürften das Haus gar nicht mehr verlassen. Die wissen nicht: Was darf ich eigentlich mit wem?"

Abschlussschüler fürchten um Start ins Berufsleben

Auch bei älteren Jugendlichen gäbe es große Unsicherheiten. Laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung fürchten 41 Prozent der Abschlussschüler, keinen erfolgreichen Start ins Berufsleben hinzubekommen.

Für sie bietet die Stadtmission seit einem Jahr vermehrt Termine online und Einzelberatungen draußen an. Die Sozialpädagogin Leonie Lawen ärgert besonders, dass es keine klaren Öffnungsperspektiven für Schulen gibt: "Im zweiten Jahr der Pandemie müssen wir uns immer noch zwischen Gesundheit und Bildung entscheiden. So kann es keine Bildungsgerechtigkeit geben."

Das Programm "Chancen für junge Menschen" Stadtmission Nürnberg unterstützt Kinder im Schulalter in schwierigen Lebenslagen. Fast ein Viertel der Angebote werde durch Spenden finanziert, hieß es.