Viele Kitas in Bayern werden ihrem Bildungsauftrag wegen schlechter Rahmenbedingungen nicht oder nur unzureichend gerecht. Zu diesem Fazit kommt der Ländermonitor "Frühkindliche Bildungssysteme 2020" der Bertelsmann Stiftung, der in Gütersloh veröffentlicht wurde.

In zwei Drittel aller Kitas im Freistaat seien der Personalschlüssel und die Gruppengröße nicht kindgerecht, hieß es. Während etwa der Evangelische Kita-Verband in Bayern Verbesserungen anmahnte, wies Sozialministerin Carolina Trautner (CSU) die Kritik als willkürlich zurück.

Die Studie, die alle 16 Länder gesondert in den Blick nimmt, kommt zu dem Schluss, dass sich die Personalausstattung in bayerischen Krippen und Kindergärten seit vergangenem Jahr kaum verändert hat. Zum Stichtag 1. März 2019 - verwendet wurden die Zahlen der Statistischen Ämter der Länder und des Bundes - war eine Fachkraft in bayerischen Krippen rechnerisch für 3,7 Kinder unter drei Jahren zuständig. Dieser Wert ist seit 2018 unverändert. Bei den Kindergartenkindern über drei Jahren lag der Personalschlüssel 2019 bei 1 zu 8,3 (2018: 1 zu 8,4).

Bayerische Kitas kommen in der Studie nicht gut weg

Seit 2013 allerdings ist der durchschnittliche Anstellungsschlüssel in Bayern durchaus besser geworden. Damals lag der Krippen-Schlüssel bei 1 zu 3,9 und der Kindergarten-Schlüssel bei 1 zu 9,1. Doch auch die aktuellen Personalschlüssel sind noch weit von den Empfehlungen der Stiftung entfernt. Diese liegen bei maximal 1 zu 3,0 in der Krippe und bei 1 zu 7,5 Kindern im Kindergarten. Die ermittelten Schlüssel gebe es ohnehin nur auf dem Papier - die tatsächlichen Zahlen seien wegen Krankheiten, Urlauben und Bürokratie eher noch ungünstiger.

Insgesamt kommen die bayerischen Kitas in der Studie nicht gut weg, die Einrichtungen hätten einen "großen Nachholbedarf". Das Fazit: Zu wenig Personal, zu große Gruppen und nicht ausreichend qualifiziertes Personal. Nur 49 Prozent aller Mitarbeiter in Bayern seien ausgebildete Erzieher, in den ostdeutschen Ländern seien es im Schnitt 82 Prozent.

Der Anteil niedrig qualifizierter Mitarbeiter sei mit 37 Prozent dafür so hoch wie in keinem anderen Bundesland - wobei der Ländermonitor auch Kinderpfleger und Sozialassistenten zu dieser Gruppe dazuzählt.

Christine Münderlein, Vorständin Bildung und Soziales, beim Verband EvKita sagte, die Bertelsmann-Studie weise "wieder einmal auf dringend notwendige Verbesserungen" hin. Es sei zunächst zwar positiv, dass es trotz des Fachkräftemangels noch einmal eine leichte Verbesserung bei der Personalausstattung in den Kitas gegeben habe.

Allerdings zeige sich deutlich, wie sehr eine gute Betreuung vom Wohnort abhänge. Sie forderte, beim niedrigen Ausbildungsniveau der Mitarbeitenden müsse nachgebessert werden.

Kita-Gruppen seien in Bayern zu groß

Die regionalen Unterschiede zeigen sich an folgenden Beispielen: Der Personalschlüssel in Krippengruppen ist bayernweit im Schnitt in der Stadt Straubing mit 1 zu 3,1 am besten - und nahe am empfohlenen Schlüssel der Bertelsmann Stiftung. Am schlechtesten ist er im Kreis Rhön-Grabfeld mit 1 zu 5,3. Beim Kindergarten-Personalschlüssel sind die Unterschiede noch gravierender.

Dort reicht die Bandbreite von einer Fachkraft für 7,2 Kinder im Kreis Kaufbeuren im Allgäu bis hin zu einer Fachkraft für 11,5 Kinder im Kreis Kulmbach in Oberfranken.

Auch die Gruppengröße entspreche oft nicht den Empfehlungen, hieß es. In Bayern seien die Kita-Gruppen in 65 Prozent aller Fälle zu groß - bundesweit den schlechtesten Wert hat Niedersachsen mit 78 Prozent aller Gruppen. Die Größe sollte laut Studie im U3-Bereich nicht mehr als zwölf Kinder und bei den Älteren nicht mehr als 18 umfassen.

Während die bayerischen Krippengruppen die "Obergrenze" von zwölf Kindern einhalten, sieht es mit 24 Kindern pro Kindergarten-Gruppe anders aus. Die Folge sei, dass sich die Kita-Mitarbeiter oft überfordert fühlten.

Sozialministerin Trautner wehrt sich gegen Studie

Trautner sagte auf Anfrage, dass der Ländermonitor auch dieses Jahr "das hohe Engagement der Beschäftigten" in den Kitas in Bayern verkenne. Seit Jahren beurteile die Bertelsmann Stiftung die Qualität der Kinderbetreuung "anhand von ihr selbst willkürlich" zum Maßstab erhobenen Zahlen.

Die pädagogischen Fachkräfte leisteten jeden Tag enormes und erfüllten selbstverständlich auch ihren Bildungsauftrag, sagte die Ministerin. Bildungsqualität "auf fragwürdige Kennziffern" zu reduzieren, werde der Realität nicht gerecht, sagte Trautner weiter.

Carolina Trautner
Sozialministerin Carolina Trautner.

Grünen-Abgeordneter Johannes Becher sagte, die "alarmierenden Ergebnisse" der Studie bestätigten die Rückmeldungen aus der Praxis. Die Fachkräfte arbeiteten schon jetzt vielerorts am Limit, es gebe einen eklatanten Personalmangel: "Wann hört die Söder-Regierung auf, die Augen vor der Realität zu verschließen?"

Nach Einschätzung der SPD-Sozialexpertin Doris Rauscher spiegele die Studie "die traurige Realität" in bayerischen Kitas. Deshalb müsse Sozialministerin Trautner aus den Ergebnissen der Studie die nötigen Konsequenzen ziehen. Nötig seien eine Verbesserung des Personalschlüssels, die Steigerung der Qualität in den Kitas durch bessere Rahmenbedingungen und die verstärkte Gewinnung von Fachkräften, forderte die sozialpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion in einer Pressemitteilung.

Bundesvergleich

Der bundesweite Ländervergleich zeigt große regionale Unterschiede. So war laut Studie 2019 in Bremen eine Fachkraft im Schnitt für drei Krippenkinder verantwortlich, in Mecklenburg-Vorpommern betrug die Quote dagegen eins zu sechs. Mit Blick auf Kindergartenkinder zeigte sich die größte Kluft zwischen Baden-Württemberg (eins zu 6,9) und Mecklenburg-Vorpommern (eins zu 12,9). Im bundesweiten Schnitt liegen die Betreuungsquoten in Krippen bei eins zu 4,2 sowie bei 1 zu 8,8 in Kindergärten.