Für die evangelische Theologin Susanne Breit-Keßler kann die Fastenzeit gerade während der Corona-Pandemie eine seelische Stütze sein. Die Fastenaktion "7 Wochen Ohne" solle dazu beitragen, "dass Menschen mehr Weite in ihrem Leben entdecken und Enge hinter sich lassen", sagt die ehemalige Münchner Regionalbischöfin und Kuratoriumsvorsitzende der evangelischen Initiative dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Aktion steht in diesem Jahr unter dem Motto "Spielraum - Sieben Wochen ohne Blockaden".

Viele werden sich fragen: "Jetzt auch noch fasten?" - Ist das nicht eine Überforderung, wenn die Kirche nach den vielen Corona-Entbehrungen für ihre Fastenaktion wirbt?

Susanne Breit-Keßler: Im Gegenteil. Unsere Fastenaktion wird auch diesmal dazu beitragen, dass Menschen mehr Weite in ihrem Leben entdecken und Enge hinter sich lassen. Denn "Spielraum - Sieben Wochen ohne Blockaden" bedeutet in Corona-Zeiten die Chance, Begrenzungen im Denken und Handeln hinter sich zu lassen. Bin ich wirklich nur dann glücklich, wenn ich ständig ausgehe und in Partylaune komme? Muss ich auf Kosten anderer in dieser Welt alles haben, was es zu kaufen gibt?

Unser Fasten ist aber keine moralische Angelegenheit. Es bedeutet vor allem, kleine Fluchten und große Freiheiten für sich zu entdecken. Wo und wie kann ich mich neu und anders als bisher entfalten? Etwa durch Malen oder Schreiben, durch Tanzen und Singen - das alles geht auch zu Hause oder im Freien. Spielraum - das ist die Zeit, in der ich nachdenke, wie die Menschen dieser Welt miteinander verbunden sind und was man selbst zu einer Globalisierung der Herzen beitragen kann. Solches Fasten kann einem wohl gefallen.

Das Fasten - in welcher Form auch immer - folgt ja traditionell den ausgelassenen Faschingstagen bis Aschermittwoch. Nur fällt der Karneval ja dieses Jahr weitgehend aus. Wird das Einfluss auf die Fastenzeit haben?

Breit-Keßler: Nein, sicher nicht. Zum einen wird in den Medien sowohl der Karneval oder Fasching als auch der Aschermittwoch ausführlich thematisiert - und sei es durch Wiederholungen von Sendungen. Zum anderen ist der Beginn von "7 Wochen Ohne" bei Millionen von Menschen so fest im Bewusstsein verankert, dass auch Corona daran nichts ändert.

Normalerweise treffen sich zur Fastenaktion "7 Wochen Ohne" Menschen zu Fastengruppen und Gesprächskreisen. Wie kann man die Aktion in diesem Jahr gemeinsam gestalten?

Breit-Keßler: Wir sind inzwischen alle fit in Videokonferenzen. In ihnen kann man sich gut über eigene Erfahrungen austauschen. Dazu rate ich, per Mail Rundbriefe zu schreiben - eine fängt an, ein anderer fügt etwas hinzu und so weiter. Solche Briefe kann man sich aufheben und bedenken. Man kann in WhatsApp oder anderen sozialen Medien Gruppen bilden und diskutieren. Ich fände auch Bildmeditationen schön, um zur Ruhe zu kommen.