Sinti und Roma - in Lyrik und Prosa

In Polen gilt die Roma-Dichterin Bronisława Wajs (1910-1987) als eine der bekanntesten Lyrikerinnen. Neben ihren Gedichten lebt die Erinnerung an ihr Werk in Dokumentar- und Spielfilmen fort. 

Das erste von einem Sinto in Deutschland veröffentlichte Werk stammt von Latscho Tschawo. 1984 schrieb er "Die Befreiung des Latscho Tschawo. Ein Sinto-Leben in Deutschland". Darin kritisiert er die ständige Diskriminierung, welche Sinti und Roma in der Bundesrepublik erfahren: "Ich frage Sie: Als was betrachten die uns überhaupt? In sämtlichen Städten, wo ihr eure Kläranlagen habt, wo ihr eure Schutthalden habt, genau in deren Nähe siedelt ihr immer Sinti an. […] Warum ist noch nie einer auf den Gedanken gekommen, dass wir auch schön wohnen wollen? Ist das ein Vorrecht für euch?"

Die österreichische Auschwitz-Überlebende Ceija Stojka (1933-2013) begann seit den 1980er Jahren, mehrere Bücher (Wir leben im Verborgenen, 1988; Reisende auf dieser Welt, 1992; Träume ich, dass ich lebe? Befreit aus Bergen-Belsen, 2005) zu schreiben. Sie wurden unter den Titeln "Ceija Stojka. Porträt einer Romni" (1999) und "Unter den Brettern hellgrünes Gras" (2005) verfilmt. Der zweisprachige Lyrikband (Romanes, Deutsch) "Gedichte und Bilder. Meine Wahl zu schreiben; Ich kann es nicht. O fallo de isgiri; me tschischanaf les" erschien 2003.

Schreiben in Romanes

Neben Ceija Stojka schreiben auch andere Schriftsteller auf Romanes, der Sprache der Sinti und Roma. Etwa der österreichische Literat Stefan Horvath. Bei einem antiziganistischen Bombenanschlag 1995 starb sein Sohn Peter Sárközi. Daneben tötete der Sprengsatz Josef Simon sowie Ervin und Karl Horvath. 2003 veröffentlichte Horvath die Erzählungen "Ich war nicht in Auschwitz". 2013 erschien sein Buch "Atsinganos. Die Oberwarter Roma und ihre Siedlungen". Horvath wurde 2019 mit dem Kulturpreis des Landes Burgenland ausgezeichnet.

Nedjo Osman ist Journalist und Regisseur. Darüber hinaus leitet er das Theater TKO/Choreodrama – Europäisches Romano-Theater in Köln. 2003 wurde er mit dem Yul-Brynner-Preis für die Regie seines Stückes "Medea" ausgezeichnet.

Übersetzungen in Romanes

Im Projekt Translation Romani werden Veröffentlichungen in Romanes übersetzt. Zahlreiche Dolmetscher tragen Texte aus dem Italienischen, Ungarischen, Türkischen, Portugiesischen, Französischen, Spanischen, Tschechischen und Deutschen zusammen, um sie in einen der gut 80 Dialekte des Romanes zu übersetzen. Damit wollen sie die Sprache der Sinti und Roma mehr in die Öffentlichkeit tragen.

Sinti & Roma: Jugendliteratur

Deutscher Meister

Stephanie Bart schildert in ihrem Roman "Deutscher Meister" die Geschichte des Boxers Heinrich Johann "Rukelie" Trollmann, der als Sinto 1933 gegen den "arischen" Boxer Adolf Witt um die deutsche Meisterschaft kämpfte. Obwohl er die Deutsche Meisterschaft im Halbschwergewicht gewann, wurde sie ihm von den nationalsozialistischen Machthabern aberkannt. 1935 wurde Trollmann zwangssterilisiert. Bis 1942 kämpfte er als Soldat der Wehrmacht an der Ostfront, wurde dann jedoch verhaftet und ins KZ Neuengamme gebracht, wo er vermutlich 1944 ermordet wurde. Das Leben des jungen Boxers wurde 2013 verfilmt.

Abschied von Sidonie

Erich Hackl beschreibt in seinem Buch das kurze Leben der Sidonie Adlersburg. Das Findelkind wächst in Österreich bei einer sozialdemokratischen Familie auf. Nach dem Anschluss Österreichs ans Großdeutsche Reich 1938 verschlechtert sich das soziale Klima im Dorf deutlich. 1943 wird das Kind unter dem Vorwand einer "Familienzusammenführung" mit anderen Roma ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau gebracht. Dort stirbt das zehnjährige Mädchen. Die Verfilmung des Buches erfolgte 1990.

Medizinische Versuche

In "Denk nicht, wir bleiben hier – Die Lebensgeschichte des Sinto Hugo Höllenreiner" erzählt Anja Tuckermann die Geschichte des neunjährigen Hugo, der zwei Jahre in verschiedenen Konzentrationslagern überlebt. SS-Arzt Dr. Mengele führt in Auschwitz-Birkenau brutale medizinische Experimente an ihm und seinen Brüdern durch. Erst als über 60-Jähriger konnte er darüber sprechen. Sein Ziel ist, junge Menschen aufzuklären, indem er berichtet, wie es wirklich unter den Nationalsozialisten gewesen ist.

Auf Wiedersehen im Himmel

Michail Krausnick zeichnet anhand des Mädchens Angela Reinhardt nach, wie Kinder aus Sinti- und Roma-Familien zu rassepolitischen Forschungszwecken genutzt wurden. Angela entkam der Vernichtung in Auschwitz nur knapp. Die Rassenforscherin Eva Justin, die das Sinti-Mädchen als Objekt für ihre Doktorarbeit benutzte, arbeitete nach 1945 als Jugendpsychologin in Frankfurt am Main. 1994 wurde das Geschehen als Dokumentarfilm aufgearbeitet.

Die Würzburger Familie Winterstein

Im Frühjahr 1940 tritt die 18-jährige Sintezza Theresia Winterstein im Würzburger Stadttheater in der Oper "Carmen" als Tänzerin und Sängerin auf. Ihr Bruder Kurt absolviert 1942 eine Schulung zum Reserveoffiziersanwärter der Wehrmacht. In "Dieselben Augen, dieselbe Seele" zeichnet der Historiker Roland Flade die stückweise Entrechtung und Verfolgung der angesehenen Würzburger Sinti-Familie nach. 1943 stirbt eine Tochter Theresias an den Folgen medizinischer Experimente in der Universitäts-Kinderklinik, sie selber und ihr Bruder werden zwangssterilisiert. Schließlich wird die Familie, darunter sechs Säuglinge und Kleinkinder, in das "Zigeunerlager" in Auschwitz-Birkenau verschleppt.

Die Odyssee des jungen Manos

In "Mano. Der Junge, der nicht wusste, wo er war" erzählt Anja Tuckermann die Geschichte des elfjährigen Mano. Als Überlebenden mehrerer Konzentrationslager verschlägt es den Sinto-Jungen nach der Befreiung mit anderen "Displaced Persons" nach Frankreich. Dem eindringlichen Rat folgend, weder seinen Namen noch seine Herkunft zu verraten, verschweigt er seine Identität. Währenddessen suchen seine Eltern aus der Münchener Familie Höllenreiner verzweifelt nach einem Lebenszeichen ihres Kindes.

Vater unser

Anita Awosusi erzählt in "Vater unser" die Lebensgeschichte ihrer Eltern und wie diese ihr heutiges Leben und ihren Aktivismus beeinflusst haben. Im Fokus steht die Überlebensgeschichte ihres Vaters. Als 15-Jähriger wurde er als "Zigeuner" klassifiziert und in verschiedene Ghettos und Konzentrationslager deportiert. In den letzten Kriegstagen wurde er für die SS zwangsrekrutiert und musste gegen die Rote Armee kämpfen. Nach jahrelanger sowjetischer Kriegsgefangenschaft kehrte er schließlich in seine Heimatstadt Karlsruhe zurück. Hier baute er sich eine Existenz als Geigenbauer auf und schuf zur Geburt jeder seiner fünf Töchter ein einzigartiges Instrument.

Sinti & Roma: Filme und Videos

Gibsy – Die Geschichte des Boxers Rukeli Trollmann (2013) ist ein Dokumentarfilm über das Leben des Boxers Rukeli Trollmann.

Auf Wiedersehen im Himmel – Die Sinti-­ Kinder von der St. Josefspflege (1994) ist ein Dokumentarfilm über die Kinder, die aus den katholischen Heimen ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert wurden.

Der Spielfilm Django – Ein Leben für die Musik (2017) beleuchtet das Leben des legendären Sinti-Jazzmusikers Django Reinhardt zur Zeit der deutschen Besetzung Frankreichs.

Der Film Swing (2002) erzählt die Geschichte von Max, der während seiner Ferien Musik und Kultur einer französischen Familie kennenlernt.

Der Film Latcho Drom – Gute Reise (1993) zeichnet in musikalischer Form die jahrhundertelange Wanderung der Sinti und Roma nach. In acht Stationen werden verschiedene Musikstile jeweiligen Ländern zugeordnet und durch professionelle oder Laienmusiker der Bevölkerungsgruppe aufgeführt. Der Film beginnt in der Wüste Rajasthans, dem mutmaßlichen Ursprungsort des Romavolks. Über Ägypten und die Türkei geht es nach Rumänien und Ungarn in die (damalige) Tschechoslowakei. Im französischen Teil geben Dorado Schmitt und sein Cousin Tchavolo Schmitt mehrere Gypsy-Jazz Stücke zum Besten. Der Film endet mit spanischem Flamenco.

Themenseite Sinti & Roma

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