RomnoKher-Studie 2021: Sinti und Roma haben häufig keinen Berufsabschluss

Besonders deutlich zeigt die RomnoKher-Studie die Benachteiligung bei der Berufsqualifizierung. Unter den 18- bis 25-jährigen Sinti und Roma liegt der Anteil der Jugendlichen ohne beruflichen Ausbildungsabschluss bei 60 Prozent. Bei den 26- bis 50-Jährigen sind es sogar 78 Prozent. Vergleicht man dies mit der bundesdeutschen Bevölkerungsmehrheit, sind große Unterschiede erkennbar. Hier haben nur 10 Prozent keine berufliche Ausbildung. Bei Personen mit Migrationshintergrund liegt der Anteil bei 28 Prozent. Eine Ursache für diese massive Benachteiligung sieht die Studie in der schlechten sozialen Lage der Betroffenen, gepaart mit gesellschaftlicher und struktureller Diskriminierung.

Diskriminierung und Sprachvielfalt

Über 60 Prozent der Minderheitenangehörigen erlebten in der Schule Diskriminierung. 50 Prozent berichteten von Gewalt, 25 Prozent gaben an, von Lehrkräften und im Klassenzimmer diskriminiert worden zu sein. Viele Lehrkräfte sind laut Benjamin Adler, Projektleiter des Jugendhilfeträgers Madhouse, nicht für die Geschichte und Kultur von Sinti und Roma sensibilisiert. Die Studie offenbart nämlich ein großes Potential der Bevölkerungsgruppe. So gaben 85 Prozent der Befragten an, aktiv Romanes zu sprechen. Die mit dem indischen Sanskrit verwandte Sprache verbindet nationalstaatübergreifend die meisten Sinti und Roma und besteht aus fast 80 verschiedenen Dialekten. Vergleichbar ist dies etwa mit dem Jiddisch, das als Lingua Franca der jüdischen Bevölkerung in Europa diente. Da die überwiegende Heimatsprache Deutsch ist, wächst ein Großteil der Jugendlichen somit mindestens zweisprachig auf.

Verbesserung im Bildungsbereich für Sinti & Roma

Erreichten nur zwei Prozent der heute über 50-Jährigen das Abitur, sind es bei den unter 30-Jährigen etwa 15 Prozent. Bei der Gesamtbevölkerung beträgt der Durchschnitt 40 Prozent. Da in Deutschland der Bildungsweg hochgradig vom Bildungsstand der Eltern abhängig ist, können hier noch die Folgen der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik spürbar sein. Denn die Überlebenden des so genannten "Zigeunerlagers" in Auschwitz-Birkenau stießen auch im Nachkriegsdeutschland bildungspolitisch gegen eine gläserne Decke.

Sinti und Roma: Roberto Paskowski

"Mir wurde meine Bildung geraubt", schildert Roberto Paskowski, stellvertretender Vorsitzender der Sinti und Roma in Bayern, seine Schulzeit. 1957 geboren, wurde der Sinto-Junge nach der dritten Klasse auf die Sonderschule überwiesen, von Lehrern aus dem ehemaligen NS-Beamten-Apparat geschlagen und von Mitschülern als "Scheißzigeuner" beschimpft. Ein Abitur sei für ihn als Angehöriger der Sinto-Volksgruppe undenkbar gewesen. Der Soziologe Albert Scheer spricht in diesem Kontext von "Vererbung sozialer Benachteiligung", die sich bis heute auswirke.

Geschichte der Sinti & Roma muss in Lehrplan aufgenommen werden

Die Studie fordert die Aufnahme der Geschichte der Sinti und Roma in den Lehrplan sowie eine rassismuskritische Bildung und Sozialarbeit, um Vorurteile und Stereotype in der Mehrheitsgesellschaft zu verringern. Dies soll auch durch den Ausbau von Kultur und mithilfe von Förderprogrammen der Sinti- und Roma-Organisationen erfolgen. Die Übernahme von Führungspositionen von Sinti und Roma im Bildungsbereich soll Übergänge erleichtern. So können sie als Fachkräfte und Begleiter*innen an Schulen und Kitas soziokulturelles Verständnis fördern und Bildungsabbrüche vermeiden.

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