Wohl nach keiner anderen Person aus dem deutschen Widerstand gegen den Nationalsozialismus wurden so viele Schulen, Plätze und Straßen benannt wie nach Sophie Scholl. Ihre Büste steht in der Ruhmeshalle der Walhalla und in Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett in Berlin. Sophie Scholl und ihre Mitstreiter der "Weißen Rose" hatten von Juni 1942 bis April 1943 mit Flugblättern zum Kampf gegen die Nazis aufgerufen. Sie und sechs weitere von ihnen bezahlten dies mit dem Leben.

Die Familie Scholl stammt aus Hohenlohe, dem fränkisch geprägten Nordosten Württembergs. Sophie Scholl wurde am 9. Mai 1921 als viertes Kind von Magdalena und Robert in Forchtenberg geboren. Ihr Vater war dort seit 1919 Bürgermeister. Ihre Mutter war die Tochter eines Schuhmachers und Fabrik-Schichtmeisters aus Künzelsau. Das Lebensmotto der Pietistin war: "Es geht, wie Gott will." 1942 war ein Wendejahr für die Familie: Am 3. August wurde der Vater verhaftet; er hatte Hitler in seinem Büro eine "große Gottesgeißel" genannt, den Krieg als verloren vorhergesagt.

Die Verhaftung des Vaters und einige Jahre zuvor ihres Bruders wegen unerlaubter bündischer Jugendarbeit und angeblicher homosexueller Handlungen, die Entwicklung des Kriegs und die katastrophalen Berichte von der Front, die die Soldatenstudenten mitbrachten: Neben ihrem ganz eigenen Charakter, ihrem mitunter depressiven Ringen mit dem Leiden der Welt, ihrer Unfähigkeit, das offensichtliche Unrecht des Nationalsozialismus hinzunehmen, gibt es viele Spuren, die bei Sophie Scholl dazu geführt haben, sich, ihrem Bruder folgend, dem Nationalsozialismus so entschlossen entgegenzustellen. Wesentliches wurzelt wohl auch in der Familie: im Pazifismus der Eltern, in der pietistischen Frömmigkeit der Mutter.

Die Flugblätter der "Weißen Rose"

Von Juni 1942 bis April 1943 ruft die "Weiße Rose" mit Flugblättern und Wandaktionen in München zum Kampf gegen die nationalsozialistische Diktatur auf – und für die Beendigung des Kriegs. Alexander Schmorell und Sophies älterer Bruder Hans Scholl verfassen die ersten vier Flugblätter. Sie entstehen in Schmorells Elternhaus, Auflage jeweils 100 Stück, die sie vor allem an Akademiker in München verschicken.

Im Winter 1942 stoßen Hans jüngere Schwester Sophie Scholl, Christoph Probst und Professor Kurt Huber zum engsten Kreis hinzu. Im Januar und Februar 1943 entstehen zwei weitere Flugblätter. Alle werden sorgfältig vorbereitet und redigiert. Der "Weißen Rose" ist eine überzeugende philosophische und theologische Begründung wichtig. Nun bildet die Gestapo eine Sonderkommission zur Fahndung der Urheber. Kurze Zeit später ist sie sicher, dass die Flugblätter von Münchner Studenten stammen.

"Hitler kann den Krieg nicht gewinnen, nur noch verlängern!"

Mit einem neuen Vervielfältigungsapparat steigen die Auflagen nun - auf Tausende Exemplare.
Die Sache ist enorm riskant: Papier und Briefmarken sind unter den Bedingungen der Kriegswirtschaft rationiert. Wer große Mengen kauft, macht sich verdächtig. Per Kurier oder Post werden die Flugblätter nach Ulm, Stuttgart, Freiburg, Hamburg oder Chemnitz und in einige österreichische Städte gebracht.

"Hitler kann den Krieg nicht gewinnen, nur noch verlängern!" lautet die Botschaft des fünften Flugblatts. Das sechste Flugblatt steht unter dem Eindruck der katastrophalen deutschen Niederlage in Stalingrad. Unter der Überschrift "Kommilitoninnen! Kommilitonen!" richtete es sich direkt an die Studenten an den deutschen Universitäten. Am 18. Februar gegen 11 Uhr legen es die Geschwister Scholl vor den Hörsälen im Hauptgebäude der Münchner Universität aus. Überzählige Blätter lassen sie in den Lichthof fallen. Dabei werden sie vom Hausmeister Jakob Schmid beobachtet, dem es gelingt, sie festzuhalten. Beide werden sofort von der Gestapo verhaftet.

Nach einem kurzen Volksgerichtsprozess im Münchner Justizpalast, in dem die Angeklagten kaum zu Wort kamen, werden Sophie, Hans und Christoph nur vier Tage nach ihrer Verhaftung am 22. Februar 1943 in die Haftanstalt Stadelheim gebracht. Um 17 Uhr wird Sophie Scholl über den Gefängnishof in den Raum mit der "Fallschwertmaschine" geführt. Sie war ruhig und gefasst, vermerkt das Hinrichtungsprotokoll. Dann verrichtete die Guillotine ihr Werk. Kopf und Körper wurden in einen bereitgestellten Sarg gelegt. Zwei Minuten später war Hans an der Reihe. Seine letzten Worte waren der Ruf: "Es lebe die Freiheit!" Danach stirbt Christoph Probst.

Wer war Sophie, der Mensch, das Mädchen hinter dem Mythos?

"Eine feine Eigenwilligkeit (...) gepaart mit einem ausgeprägten Gerechtigkeitsgefühl", schrieb ihr die vier Jahre ältere Schwester Inge zu.

1932 zog die Familie Scholl nach Ulm. Robert Scholl eröffnete dort eine Kanzlei als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Anders als ihre Kinder, die – ganz dem Zeitgeist folgend – mit wehenden Fahnen sich vom Gemeinschaftsideal des Nationalsozialismus betören ließen, lehnten die Eltern Scholl den Faschismus ab. 1933 trat Hans dem "Jungvolk" bei und wurde in kürzester Zeit Scharführer. Im Jahr 1934 machte es ihm Sophie Scholl beim Bund Deutscher Mädel (BDM) als Jungmädelführerin nach.

"Letzten Endes ging es um die Freiheit."

Im Jungmädelbund wurden Sophie Scholl und Susanne Hirzel (1921-2012) Freundinnen. "Sie war wie ein feuriger wilder Junge und trug die dunkelbraunen glatten Haare im Herrenschnitt. Sie war lebhaft, keck (...) und von einer göttlichen Schlamperei", erinnerte sich Hirzel 1946 in einem Schreiben an Ricarda Huch. Sophie und ihre Freundinnen zelteten gemeinsam "fast jedes Wochenende" an der Iller, an der Donau, schreibt Hirzel weiter: "Letzten Endes ging es um die Freiheit."

Nach der Hinrichtung der Geschwister Scholl wurde auch Susanne Hirzel verhaftet und "kam zufällig in die Zelle u. das Bett zu liegen, in dem Sofie 5 Tage zuvor noch gelegen hatte". Sophie hatte dort auf ihrer Pritsche die Fotos ihrer wichtigsten Freunde aufgestellt. Von der dort inhaftierten Kommunistin und Zellengenossin Else Gebel erfuhr sie von Sophies letzten Tagen: "Sofie wußte genau, was ihr bevorstand, u. war absolut ruhig, ja heiter." Wehmütig habe sie beim Blick aus dem Fenster gesagt:

Nun kommt der Frühling so schön, und ich lebe nur noch ein paar Tage.

Sophie Scholl

Hirzel ist nur ein Beispiel dafür, dass das Netzwerk an Unterstützern der "Weißen Rose" größer war und weiter reichte, als man oft annimmt. Rund 60 Mitstreiter wurden in mehreren Prozessen angeklagt und verurteilt.

Sophie Scholls junge Liebe

Partys hießen "Tanzkränzle" in Ulm. Sophie liebte die neuen, wilden amerikanischen Tänze. Foxtrott hieß "Fuchstrab". Der damals 20-jährige Fritz Hartnagel und die 16-jährige Sophie Scholl kannten sich schon länger. Bei den "Tanzkränzle" ging es ausgelassen zu, es wurde geraucht und getrunken. Und zwischen Sophie und dem gut aussehenden Leutnant begann es zu funken. Fritz hatte sich schon vor dem Abitur für eine Offizierslaufbahn entschieden. Jetzt war er in Augsburg stationiert.

Die einzige Männerbeziehung im kurzen Leben Sophie Scholls war von Anfang an eine komplizierte Liebe. Der Briefwechsel zwischen den beiden ist fast vollständig erhalten. "Sophie wollte eigentlich eine Beziehung ohne körperliche Liebe", meint ihr Biograf Robert Zoske. "Selbst als sie zusammen in Urlaub fuhren, sich billige Ringe besorgten, damit sie verheiratet erschienen und gemeinsam in einem Hotelzimmer übernachten konnten, war das so." Sophie weihte den Berufssoldaten bis zuletzt nicht in die Aktionen der "Weißen Rose" ein.

Einfluss durch den protestantischen Glauben

Kam die innere Freiheit und Widerständigkeit der Scholl-Geschwister aus dem protestantischen Glauben, wie ihn ihre tiefreligiöse Mutter vermittelte und vorlebte? Oder gab es 1941 eine religiöse Wende, eine Art Erweckung unter dem Einfluss des katholischen Ulmer Freundes Otl Aicher und des katholischen Hochlandkreises? Das sieht zumindest der katholische Theologe Jakob Knabe in seiner 2018 erschienenen Biografie "Ich schweige nicht: Hans Scholl und die Weiße Rose" so.

Viel Zeit blieb den Eltern nicht, sich von ihren Kindern zu verabschieden. Sie waren nach Stadelheim gehetzt, ihnen blieben zehn Minuten. Robert Scholl umarmte Hans und Sophie im Besuchsraum über die Brüstung hinweg und sagte:

"Ihr werdet in die Geschichte eingehen." Sophie antwortete: "Das wird Wellen schlagen."

Ganz nahe seien sie sich gewesen, schreibt die Mutter später. Sie habe zu Sophie gesagt: "Aber gelt, Jesus". Und Sophie habe geantwortet: "Ja, aber Du auch."

Mutter Lina Scholl hält nach Sophies Tod schriftlich fest, ihre Tochter sei nun ganz bei Gott - eine Märtyrerin, die am Ende ihren christlichen Glauben bekräftigte.

 

"Rebellinnen": Die Ausstellung über starke Frauen

Dieser Text ist Teil der Wanderausstellung "Rebellinnen". Sie stellt Frauen aus dem deutschsprachigen Raum vor, die für ihre Überzeugungen und Rechte kämpften, die Gesellschaft prägten, sie verändern wollten.

Als Medienpartner von "Rebellinnen" veröffentlicht sonntagsblatt.de Porträts und weiterführende Informationen zu allen Frauen, die in der Ausstellung gezeigt werden.

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