Der Hamburger Pastor und Historiker Robert Zoske (68) hat eine Biografie über die NS-Widerstandskämpferin Sophie Scholl veröffentlicht. Er habe vor allem Dokumente zu realen Begegnungen ausgewertet, um ein realistisches Bild von Sophie Scholl zu zeigen, sagte Zoske bei der Präsentation seines Buches in Berlin. Die Schwester Inge Aicher-Scholl habe in ihrer Biografie von 1952 viele Dinge geschildert, die sie selbst gar nicht erlebt habe und Sophie "ikonografiert". Zoske: "Ein bisschen wollte ich sie von den Girlanden, die um sie geflochten sind, befreien."

Sophie Scholl war Mitglied der Widerstandsgruppe "Weiße Rose" und wurde am 22. Februar 1943 kurz nach ihrer Verhaftung in München mit 21 Jahren hingerichtet. Am 9. Mai 2021 jährt sich ihr 100. Geburtstag. Die junge Sophie sei zeichnerisch sehr begabt gewesen und hätte auch eine Künstlerkarriere einschlagen können, sagte Zoske, der über Sophie Scholl Bruder Hans promoviert und eine Biografie über ihn veröffentlicht hat. Außerdem spielte das Lesen in ihrer Familie eine große Rolle. Ihre Kindheit in Forchtenberg (bei Heilbronn) und Ulm könnte man "glücklich" nennen.

Sophie Scholl war Mitglied im Bund Deutscher Mädel

Bemerkenswert sei, so Zoske, dass sich Sophie Scholl in Ulm stark beim Bund Deutscher Mädel (BDM) engagierte und dort auch eine Führungsrolle einnahm. Sie werde als lebhaft und keck beschrieben. Ihr Kurzhaarschnitt sei eher ungewöhnlich für eine Provinzstadt wie Ulm gewesen. Die Ausfahrten, das Campieren im Freien und das recht ungezwungene Leben beim BDM sei ihrer Suche nach Freiheit offenbar entgegengekommen. Dass sie sich schon Mitte der 1930er Jahre gegen die Judenverfolgung der Nationalsozialisten gewehrt habe, sei nicht belegt.

Die religiöse Bindung von Sophie Scholl sei vor allem durch ihre Mutter begründet gewesen, so Zoske. Diese sei eine tiefgläubige, herzensgute Frau gewesen, die als evangelische Krankenschwester tätig war. Sophie Scholls Gefängnis-Mitinsassin berichtete, dass diese sich noch kurz vor ihrer Hinrichtung zu ihrem Glauben und zu ihrer Überzeugung bekannt habe. Zu ihrem Vermächtnis zähle die Ermutigung, dass der christliche Glaube Kraft gebe zum Widerstand und zum Freiheitskampf.

Ihr Widerstand gegen das NS-Regime begann nach Einschätzung Zoskes im Mai 1942. Einfluss darauf habe ihr älterer Bruder Hans gehabt, aber auch die Arbeit beim Kriegshilfsdienst und Informationen ihres Freundes Fritz Hartnagel von der Ostfront. Während ihres Studiums in München beteiligte sie sich an der Verbreitung von Flugblättern der "Weißen Rose", die zum Widerstand gegen die Diktatur Hitlers aufrief. Von Sophie Scholl bleibt nach den Worten Zoskes die Gewissheit, das keine Ideologie oder gesellschaftliche Norm alternativlos sei, und die Zuversicht, dass jeder seinem Gewissen mehr gehorchen könne als den Menschen.

Sophie Scholl

Robert M. Zoske

Die Bilder von Sophie Scholl kennt jeder: Die dramatischen Filmszenen im Lichthof der Münchner Universität haben sich ins kulturelle Gedächtnis eingefräst. Man erinnert die todesmutige Verteidigerin der Menschlichkeit vor dem Volksgerichtshof. Doch hinter der Ikone droht der Mensch zu verschwinden: jene junge Frau, die Liebe und Freundschaft auf äußerst verwirrende und widersprüchliche Weise erlebte. Die sich viele Jahre begeistert im Bund Deutscher Mädel engagierte. Die hohe Ideale hatte und nur langsam erkannte, dass der Nationalsozialismus sie aufs Brutalste verriet. 1942 schreibt Sophie: "Habe ich geträumt bisher? Manchmal vielleicht. Aber ich glaube, ich bin aufgewacht". Auf der Basis von bislang unveröffentlichtem Quellenmaterial zeigt uns Robert M. Zoske Sophie Scholl im neuen Licht.

Propyläen Verlag
Hardcover mit Schutzumschlag
448 Seiten
ISBN: 9783549100189

Das Buch kann über Buch7 bestellt werden

Themenspecial Sophie Scholl

Wie hat Sophie Scholl gelebt? Wie waren die letzten Stunden im Gefängnis? Und warum gilt die junge Frau bis heute als Vorbild? Unser Themenspecial zu Sophie Scholl gibt Antworten.