Sinti und Roma - Material für den Schulunterricht

"Sinti wurden 1407 das erste Mal in Hildesheim urkundlich erwähnt", sagt Benjamin Adler, Leiter des Projekts "Bildungsaufbruch gestalten" (BiG). "Seit sechs Jahrhunderten sind wir sozusagen ‚Urdeutsche‘", erklärt der Münchner. 1997 wurden die deutschen Sinti und Roma neben der dänischen Minderheit, den Friesen und Sorben als die vier alteingesessenen Minderheiten Deutschlands anerkannt. Doch obwohl die Sinti und Roma als einzige deutsche Minderheit nicht nur in Norddeutschland, sondern vor allem auch in Bayern vertreten sind, kamen sie dort im Lehrplan bis auf "weitere Bevölkerungsgruppen", die durch den Nationalsozialismus verfolgt wurden, nicht vor. Und auch das nur im Lehrplan der Realschule für die 9. Jahrgangsstufe im Fach Geschichte.

Material über NS-Völkermord hinaus

Es sei zu wenig, die jahrhundertelange Kultur der Sinti und Roma nur auf "Porajmos" (romanes: "das Verschlingen") zu reduzieren. Gemeint ist damit der nationalsozialistische Völkermord, dem 500.000 Sinti und Roma zum Opfer fielen. Sintiza oder Rom zu sein, sei jedoch so viel mehr. Deshalb organisiert Adler in Zusammenarbeit mit dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma Veranstaltungen zu "Sinti und Roma im Unterricht". Dabei stellt er den zwar sehr motivierten, aber fachlich nicht in diesem Thema ausgebildeten Lehrkräften verschiedene Möglichkeiten für den Schulalltag vor.

"Das Thema ist fächerübergreifend angelegt", beschreibt er das Material zu "Bildungsaufbruch gestalten: Sinti und Roma". Die Unterrichtsmodule können sowohl in Grund-, Förder- oder Mittelschule als auch in Realschule oder Gymnasium verwendet werden. Während in Geschichte speziell Materialien zur NS-Zeit und den Nachkriegsjahren verwendet werden kann, eignet sich das Fach Deutsch für vielfältige Textarbeiten zum Leben oder der Kultur von Sinti und Roma. Darüber hinaus können die Einheiten auch problemlos in gesellschaftswissenschaftlichen Fächer wie Sozialkunde, Ethik oder Religion integriert werden. Ein direkter und sehr lebensnaher Zugang eröffnet sich durch die Fächer Musik und Kunst.

Jedes Modul besteht aus einem Infoblatt und mehreren anschließenden Aufgaben. Das Angabenblatt kann mit einem Farbcode (Grün, Gelb, Rot) einer empfohlenen Schwierigkeitsstufe (leicht, anspruchsvoll, schwierig) zugeordnet werden.

Deutsch und Musik: Django Reinhardt

Die erste Einheit behandelt den Sinto Django Reinhardt, der als einer der einflussreichsten Komponisten und Musiker des europäischen Jazz gilt. Die textbasierten Angabenblätter geben einen detaillierten Überblick über die musikalischen Hintergründe der Stilrichtung und schaffen durch aktuelle Beispiele einen starken Gegenwartsbezug. Die Aufgaben bestehen – je nach Niveaustufe – aus einem Kreuzworträtsel, Richtig/Falsch-Zuordnungen oder Lückentexten. Offene Fragestellungen regen dazu an, sich im Internet mit weiteren Liedern des Musikers zu beschäftigen und so ein umfassenderes Gefühl für sein musikalisches Werk entwickeln zu können.

Filme und weiteres Material

Ebenso fächerübergreifend und vielfältig sind die folgenden Unterrichtseinheiten. Diese beschäftigen sich unter anderem mit der Künstlerin und Autorin Ceija Stojka, Antiziganismus in der Gesellschaft, der Jahrhunderte langen Geschichte der Sinti und Roma sowie der aktuellen Gegenwart. Darüber hinaus bietet die Handreichung eine Vielzahl an Film- und Buchempfehlungen sowie weiterführendes Material für den Schulunterricht.

Sinti und Roma im Geschichtsunterricht

Ergänzend dazu kann auch Material mit Schwerpunkt im Unterrichtsfach Geschichte verwendet werden. Die textbasierten Arbeitsblätter orientieren sich eher am Lehrplan der Realschule sowie des Gymnasiums. Die Quellen und Darstellungstexte sind mit Fokus auf Nationalsozialismus, Nachkriegsdeutschland und Gegenwart konzipiert. Anhand verschiedener staatlicher Verlautbarungen wird die rassistische Stigmatisierung der Sinti im Nationalsozialismus dargestellt sowie diese Zerrbilder anhand von Einzelbeispielen hinterfragt. Ebenfalls wird die Rolle der Kirchen beim Völkermord an den Sinti und Roma beleuchtet und der Frage nachgegangen, inwieweit das Stereotyp des "Zigeuners" in der Bundesrepublik fortbestand. Dies wird anhand personeller Kontinuitäten in Polizei, aber auch anhand mehrerer Gerichtsurteile erörtert.

Der Diskriminierung von Sinti und Roma wird anhand unterschiedlicher Epochen (Kaiserreich, Weimarer Republik, Drittes Reich, Bundesrepublik) nachgegangen. Darüber hinaus werden Beispiele für Antiziganismus in Polizei, Politik und Gesellschaft dargestellt. Den Abschluss bildet eine Darstellung des Kampfes der europäischen Sinti und Roma um gesellschaftliche Teilhabe. Das Material ist zu großen Teilen aus dem Ausstellungskatalog "45 Jahre Bürgerrechtsarbeit deutscher Sinti und Roma" des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma entlehnt.

Völkermord und Kampf um Anerkennung

Vielfältiges Material gibt es auch in der Einführung "Sinti und Roma: Völkermord und der lange Kampf um Anerkennung". Mit umfangreichem Bild- und Unterrichtsmaterial wird hier der Weg in den Völkermord, die europaweite Vernichtung in Auschwitz-Birkenau, aber auch die strukturelle Ausgrenzung nach 1945 dargestellt. Anhand zahlreicher Einzelbeispiele und Dokumente wird die Geschichte der Sinti und Roma in Europa anschaulich nachgezeichnet.

Themenseite Sinti & Roma

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