Wie kommt ein Promifotograf auf die Idee, nach Syrien zu fliegen?

Heiko Roith: Es fing ganz klein an. Eine Freundin fragte mich und meine Frau, ob wir nicht ein wenig Kleidung spenden könnten für eine syrische Flüchtlingsfamilie. Wir misteten unsere Schränke aus und schleppten schließlich fast zehn Koffer mit Kleidung an. Dann lernte ich Hiba und ihre Familie kennen. Sie ist mit ihrem Mann und ihrem Kind aus Syrien geflohen, weil der Vater vom Regime entführt und enthauptet wurde. Als ich die Geschichte von der zweijährigen Flucht hörte und dann erfuhr, dass der Bruder noch in Damaskus lebt, beschloss ich, dorthin zu fliegen, um selbst zu sehen, wie es dort aussieht.

Wie verlief die Reise?

Roith: Den Flug musste ich schon mal verschieben, unter anderem weil ein Flug aus Sicherheitsgründen storniert wurde. In der riesigen Maschine von Teheran nach Bagdad saßen keine dreißig Personen. Vor Ort hatte ich einen Fahrer und trug eine Sicherheitsweste. Allerdings hat mich das nicht davor bewahrt, in eine Kontrolle der Hisbollah im Süden von Beirut in eine Straßensperre zu geraten. Ich musste aussteigen und die Arme heben, ein junger Soldat hielt mir sein Gewehr an die Brust, das er ständig entsicherte und wieder sicherte. Da bekam ich es mit der Angst zu tun. Nach fast einer Stunde durfte ich gehen.

Wie haben Sie die Situation vor Ort erlebt?

Roith: Ich war überrascht, wie zerrissen die Stadt Damaskus ist. Mein Eindruck war, dass es nur noch extrem reiche und extrem arme Menschen gibt. Wer das nötige Geld hat, sitzt in einem schicken Café. Wer sich dann noch die Einschläge in den Wänden auf der Straße wegdenkt, könnte meinen, es sei eine ganz normale Stadt. Aber es gibt gefährliche Außenbezirke und sehr heruntergekommene Viertel.

Wie war der Besuch bei Hibas Familie?

Roith: Hibas Geschwister haben mir ihre Geschichte erzählt, das war sehr bewegend. Der Freundeskreis der Familie hat sich durch den Krieg massiv verändert. Hibas Bruder trägt nach dem Tod des Vaters die Verantwortung für die Familie. Er war es auch, der Hiba nach Deutschland schickte. Die Mutter und eine der Schwestern sind im Libanon. Die andere Schwester lebt im Untergrund. Viele Familien sind zerrissen: Es gibt Männer, die sind geflohen in der Hoffnung, die Familie bald nachholen zu können. Aber es gibt auch Männer, die abhauen und ihre Frauen und Kinder einfach alleinlassen.

Gab es eine schwierige Situationen?

Roith: Ich habe mich mit einem syrischen Schleuser getroffen und ihn bei einer Tour begleitet. Das winzige Boot hatte nur einen 15-PS-Außenbordmotor, der ständig ausfiel. Wir starteten mitten in der Nacht. Auf dem Boot saßen 30 Personen, darunter Frauen und Kinder. Auf dem Meer war es stockfinster, ich hatte überhaupt keine Orientierung. Der Schleuser sagte den Müttern, sie müssten dafür sorgen, dass die Kinder absolut still sind, sonst würden sie über Bord gestoßen. Das war ein schlimmer Moment. Wir waren vier Stunden unterwegs. Dann kam das Boot ins internationale Gewässer, und die Flüchtlinge wurden von einem größeren Schiff aufgenommen. Später habe ich erfahren, dass sich die Schleuser mithilfe von Licht- und Tonsignalen orientieren. Daher die Forderung absoluter Stille.

Wie geht es jetzt weiter?

Roith: Ich begegnete in Damaskus einer obdachlosen jungen Mutter. Sie erzählte mir ihre Geschichte: Der Mann ist verschwunden, eines der Kinder gestorben. In den Medien liest man nur wenig über die Situation der Frauen. Das will ich ändern. In wenigen Tagen fliege ich erneut nach Syrien.

Dossier Flucht und Asyl

Weltweit sind etwa 65 Millionen Menschen auf der Flucht. Auch in Bayern suchen viele Schutz. Wie geht es den Flüchtlingen hier? Welche Erfahrungen machen Ehrenamtliche in der Flüchtlingsarbeit? Lesen Sie das und mehr in unserem Dossier "Flucht und Asyl" .

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