Herr Wolf, Sie ecken an, weil Sie zwar der klassischen Musik eng verbunden sind, oft aber auch zur Gitarre greifen und "Teufelsmusik Rock´n´Roll" machen. Wie begegnen Sie solchen Vorurteilen?

Notker Wolf: Natürlich gefällt es nicht allen. Ich will auch niemandem etwas aufzwingen. Aber die Musik hört nicht bei Mozart und Beethoven auf. Die Rock-Musik ist nun mal die Musik eines Großteils unserer Jugend. Wer sie als "Teufelsmusik" bezeichnet, kennt sie zu wenig und hängt sich an einzelnen Texten auf. Man sollte aber nicht alles so ernst nehmen. Ich bin 1991 von ehemaligen Schülern der Band Feedback gebeten worden mitzuspielen und bin dann mit ihnen und ihren Lebensschicksalen verwachsen. Musik ist Gemeinschaft.

 

Wie können Christen in der Ökumene durch Musik Gott näherkommen?

Wolf: Ich würde Musik nicht funktionalisieren. Aber in meiner Band sind keineswegs alle Mitglieder katholisch. Das Miteinander macht es aus.

 

Kann Musik nach Ihrer Erfahrung Selbstvertrauen ebenso schaffen wie beispielsweise Sport?

Wolf: Ja, denn einen Song oder einen Solopart gut hinzubekommen, erzeugt Freude oder einfach ein gutes Gefühl.

 

Sie schreiben von "Dampf ablassen" durch Rock-Musik. Es gibt jedoch auch viele Beispiele von Musikern, die so viel "Dampf abgelassen" haben, dass sie sich dadurch selbst zerstört haben. Wie schafft man den Spagat?

Wolf: Ich sehe darin keinen Spagat. Wenn ich eine Wut im Bauch habe oder einen Ärger, dann kann ich das nicht mit Beten allein bewältigen. Das ist eine psychische Angelegenheit, und die braucht ihre eigene Medizin, die uns Gott geschenkt hat. Wenn ich zu viel gleichzeitig im Kopf habe, spiele ich ein paar Passagen von Bach oder Mozart. Auch das ist "Dampf ablassen". Bei der Rockmusik kommt aber noch die Bewegung dazu.

 

Gerne bezeichnet man Sie als den "rockenden Mönch". Sehen Sie sich gerne in dieser Rolle?

Wolf: Natürlich ist das eine Vereinfachung, die ich über mich ergehen lasse. Aber als ich in Benediktbeuern nach meinem Auftritt mit Deep Purple von der Bühne stieg, sagten mir viele: "Jetzt wissen wir endlich, dass wir auch einen Platz in der Kirche haben." Die Menschen dürfen ruhig erfahren, dass auch Mönche Freude am Leben haben und die Freude mit den Menschen teilen.

 

Wenn Musik wie Gott ist und Musiker Architekten des Himmels sind – ist Musik dann Völkerverständigung?

Wolf: Meine jetzige Querflöte ist ein Geschenk buddhistischer Mönche und Shintoisten Japans anlässlich des 100-jährigen Jubiläums unserer Erzabtei im Jahre 1984, weil ich in Japan mehrfach auch in Klöstern improvisiert habe. Bei der Einweihung unseres Krankenhauses in Nordkorea 2005 habe ich zum Mittagessen die Flöte herausgenommen und etwas Tischmusik gespielt. Als ich das nationale Volkslied anstimmte, sprang eine Kellnerin hoch, sang, und ich begleitete sie. Musik geht als Sprache des Herzens über Kontinente und Kulturen hinaus, eine andere Art von Diplomatie.

 

Wie haben Sie es immer geschafft, sich Freiräume zum Spielen zu schaffen?

Wolf: Als Benediktiner habe ich einen festen Tageslauf, wo ich in der knappen Freizeit fast täglich übe. Wenn ich unterwegs bin, habe ich die Querflöte immer dabei und manchmal auch die Gitarre.

BUCHTIPP

Notker Wolf: "Lobet den Herrn mit Flöten und Gitarren. Meine musikalischen Begegnungen". Benno Verlag, Leipzig, 2017. 96 Seiten, 9,95 Euro, ISBN  978-3-7462-4684-0

 

ZUR PERSON

NOTKER WOLF wurde 1940 in Bad Grönenbach im Unterallgäu als Sohn eines Schneiders geboren.

1962 legte Wolf im Benediktinerkloster Sankt Ottilien am Ammersee seine Profess (Ordensgelübde) ab und studierte in Rom und München Philosophie und Theologie sowie Zoologie, Chemie und Astronomiegeschichte. 1968 zum Priester geweiht, promovierte er 1974 über "Das zyklische Weltmodell der Stoa", wobei er bereits als Professor für Naturphilosophie und Wissenschaftstheorie an der Päpstlichen Hochschule Sant’Anselmo in Rom lehrte.

1977 wurde er zum Erzabt des Klosters St. Ottilien berufen, ein Amt, das er bis 2000 innehatte, als er zum Abtprimas und damit obersten Repräsentanten der Benediktiner gewählt wurde. Der benediktinische Äbtekongress bestätigte ihn danach zweimal für weitere vier Jahre im Amt. Als Abtprimas war er weltweiter Sprecher des ältesten Ordens der Christenheit mit 7500 Mönchen und 16.500 Nonnen und Schwestern.

Ende 2016 ging Notker Wolf in den Ruhestand und zurück in sein Heimatkloster St. Ottilien.