Sie besuchen Pflegebedürftige im Altenheim, fahren Gehbehinderte zum Gottesdienst, laden Alleinstehende zum Kaffeekränzchen, motivieren Sportliche und Unsportliche zur Seniorengymnastik. Und sie üben Lesen mit Grundschülern, verteilen Lebensmittel bei der Tafel, sind Leih-Oma oder Leih-Opa, organisieren Bildungsveranstaltungen und verwalten den Gemeindehaushalt: Ehrenamtliche in der Seniorenarbeit und ehrenamtliche Senioren. Wie groß die Schnittmenge dieser Gruppen ist, zeigte sich eindrucksvoll beim traditionellen Jahresempfang von Regionalbischöfin Breit-Keßler.

Lebenspraxis statt Effizienz

Äußerst vergnügt lauschte ein Publikum mit vorwiegend silbergrauem Haar der launigen Begrüßung der Gastgeberin. Susanne Breit-Keßler nahm Jugendwahn und Hochglanzwerbung aufs Korn und mokierte sich über Fernsehspots, in denen Senioren "ohne zu schnaufen über eine Wiese joggen, mit ihren Enkeln durch den Garten toben und schmerzende Knie mit Salben kurieren". Körperliche Fitness sei jedem älteren Menschen zu gönnen. "Ich wünsche mir das selbst für später – und merke jetzt schon, dass das vermutlich nicht immer klappt", sagte die 62-jährige Theologin trocken. Statt immer nur nach Effizienz zu schielen, müsse die Gesellschaft das lebenspraktische Wissen der "Senior Experts" stärker wahrnehmen. "Auswählen, optimieren und kompensieren sind Leistungen, die man von älteren Menschen lernen kann", sagte Breit-Keßler.

Zugleich warnte sie vor der wachsenden Altersarmut. Immer mehr Senioren müssten soziale Grundsicherung beantragen oder jobben. "2006 waren rund zehn Prozent der Rentner von Armut betroffen, heute sind es schon 15,6 Prozent. Im Jahr 2010 hatten bereits 660 000 Rentner einen Nebenverdienst", sagte die Regionalbischöfin. Besonders betroffen von Altersarmut seien Frauen und Witwen, die im Schnitt während ihrer Berufstätigkeit 22 Prozent weniger verdienen als Männer und längere Zeiten zu Hause für die Familie arbeiten.
Das war das Stichwort für die bayerische Sozialministerin Emilia Müller: Sie bezeichnete den Kampf gegen Altersarmut als eine der zentralen Aufgaben des Freistaats. "Der Gang zum Sozialamt darf für alte Menschen nicht zur Selbstverständlichkeit werden", sagte Müller in ihrem Grußwort.

Die Versorgung unserer Alten

Auf die Probleme bei der angemessenen Versorgung alter Menschen verwies Christoph Hillenbrand, der vor seinem Wechsel an den Obersten Rechnungshof seinen letzten Abend als Regierungspräsident von Oberbayern bei dem Empfang in der Allerheiligenhofkirche verbrachte. Es gebe weder genügend Grundstücke für bezahlbare generationenübergreifende Wohnformen, noch sei die Versorgung mit Pflegefachkräften in den Heimen ausreichend, sagte Hillenbrand. Er warnte außerdem davor, bestehende Defizite des Systems "einfach beim Ehrenamt abzuladen", und erntete dafür reichlich Applaus aus dem Publikum.


SPD-Stadtrat Christian Vorländer, der den erkrankten Oberbürgermeister Dieter Reiter vertrat, nannte den Einsatz der Ehrenamtlichen in der Seniorenarbeit "unverzichtbar". Die Stadt versuche, durch die Förderung von ambulanter Pflege, durch Alten- und Servicezentren und neue Wohnformen Menschen einen "würdigen Lebensabend" zu ermöglichen. Das Postulat, die Alten zu ehren, gehe jedoch alle ganz persönlich etwas an, sagte Vorländer und bat die Anwesenden, "mit Ihrem wunderbaren Engagement" so weiterzumachen wie bisher. Etwas anderes hatten die Ehrengäste des Abends auch nicht vor.