Drei Jahre lang hat der Schweinfurter Dekanatskantor Jörg Wöltche einen Notenfund aus einem Gemeindearchiv in der Schweinfurter Vorstadt erforscht - am Montag (21. Februar) ging das Lebenswerk des frühklassischen Komponisten Johann Leonhardt Ludwig nach München an die Bayerische Staatsbibliothek. Der Sennfelder Dorfschullehrer Ludwig (1768-1812) sei zwar "kein Mozart", aber ein "Kleinmeister für exzellent gemachte evangelische Gebrauchsmusik" gewesen, sagt Wöltche. Nun werden die Notenhandschriften international katalogisiert.

Die musikalische Arbeit des Komponisten Leonhardt Ludwig

Wöltche hat die musikalische Arbeit des unterfränkischen Autodidakten in den vergangenen drei Jahren gesichtet, erforscht und digitalisiert. Leonhardt Ludwig habe das Ziel verfolgt, für jeden Sonntag und alle Feiertage im Kirchenjahr eine Kantate zu schreiben: "Er hat es fast geschafft", sagt der Bad Kissinger Kirchenmusikdirektor. Und das in einem Dorf, in dem nur Bauern und Handwerker lebten, keine bürgerliche Mittelschicht. Sennfeld, heute rund 4.500 Einwohner groß und im Westen der Stadt Schweinfurt gelegen, war ein ehemals kaiserlich unmittelbares und freies Reichsdorf.

Ludwig unterrichtete als Lehrer in einer Einraum-Schule mit 100 Kindern, in der auch die eigene Frau und die eigenen Kinder zeitgleich lebten: "Es ist mir unerklärlich, wie jemand in dieser Dorfsituation ein derartiges Werk schaffen konnte", sagt Wöltche. Und das nicht nur quantitativ. Wöltche attestiert Ludwig einen Stil "wie der frühe Haydn, auch ein wenig Händel". Eine offizielle staatliche Beurteilung des Schullehrers lobte den Pädagogen wie folgt:

"Er hat der Dorfjugend das Geschrei ausgetrieben."

Biografische Funde dieser Art machte der Sennfelder Heimatforscher Douglas Dashwood-Howard.

Leonhardt Ludwig überliefert auch Notenkopien anderer Kantatenschreiber

Musikhistorisch interessant ist ein weiterer Befund: Zwischen Johann Sebastian Bach (1685-1750) und Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847) habe kaum mehr jemand Kantaten komponiert, heißt es in den Geschichtsbüchern. Dem war offensichtlich nicht so. Und der Unterfranke war damit nicht alleine. Ludwig überlieferte auch Notenkopien anderer Kantatenschreiber - zum Beispiel von Jakob Ignaz Sebastian Demar, dessen Musik an Mozart erinnert. Musiker vom Salzburger Mozarteum sind daher sehr interessiert daran, den "Sennfelder Notenschatz" bald in München zu studieren.

Zukunftspläne mit dem überlieferten Werk des Musikers

Unter den 180 Werken sind 25 Abschriften fremder Kollegen. Das Konvolut umfasst 8.500 Blätter, auf denen Wöltche insgesamt 5.000 Seiten mit Einzelstimmen zählte. Bis 2011 lagen sie im Kirchenkeller Sennfeld, dann übergab die Kirchengemeinde den Fund ans kommunale Archiv. Der Dekanatskantor übernahm schließlich 2019 die Betreuung. Darüber hinaus erstellte er von einigen Kompositionen Partituren in moderner Notenschrift. Geplant ist die Aufführung einer Ludwig-Kantate zum Sennfelder Friedensfest, einem jährlichen lokalen Brauch in Erinnerung an das Ende des Dreißigjährigen Krieges.

Ein oder zwei Jahre lang sollen die Papiere in München endgültig erschlossen und im maßgeblichen Quellenkatalog "Repertoire International des Sources Musicales" verzeichnet werden, sagt Wöltche. So könne die weltweite Forschung Zugriff auf das Schaffen des unterfränkischen Kleinmeisters erhalten. Danach sollen die Originale zurück nach Unterfranken kommen.