Contra: Zu spät, zu wenig

Millionen Menschen leiden unter den Folgen der Inflation in Deutschland. Bei vielen wird das Geld immer knapper, und keiner weiß genau, welche überraschend hohe Rechnung demnächst noch im Briefkasten wartet. Oder welches Lebensmittel plötzlich das doppelte kostet wie noch vor einem halben Jahr. Es wäre ein starkes Signal der Bundesregierung, in so einer Situation für spürbare Entlastung zu sorgen. 

"Das 9-Euro-Ticket hat die soziale Teilhabe von Menschen mit geringem Einkommen verbessert"

Doch mit dem 49-Euro-Ticket tut sie dies nicht. Jedenfalls nicht konsequent, nicht da, wo es wirklich wichtig wäre. Der Vorgänger, das dreimonatige 9-Euro-Ticket, erlaubte tatsächlich breiten Bevölkerungsschichten, den Nahverkehr zu nutzen. Studien belegen, dass es die Möglichkeiten zur sozialen Teilhabe von Menschen mit geringen Einkommen deutlich verbessert hat. Das vergünstigte Nahverkehrsticket hat vermehrte Sozialkontakte und mehr Aktivitäten außer Haus ermöglicht. Ein schöner Erfolg.

Mit 49 Euro allerdings kostet der Nachfolger nun mehr als das Fünffache. Das ist für viele Menschen in Deutschland einfach nicht erschwinglich. Und zwar gerade für die, die wirklich Unterstützung brauchen könnten, weil sie alleinerziehend , arbeitslos, studierend ohne reiche Eltern sind oder aus anderen Gründen ein niedriges Einkommen haben. 

Klar, für Menschen aus der oberen und mittleren Mittelschicht ist das 49-Euro-Ticket eine gute Sache. Aber die spüren von den Auswirkungen der diversen Krisen ohnehin deutlich weniger als die Ärmeren und Armen. Menschen mit geringem Einkommen werden sich kein 49-Euro-Ticket leisten können. Die Maßnahme geht also an denen vorbei, die es wirklich brauchen. Die Bundesregierung und die Länder haben eine Chance vertan.

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Pro: Ein erster Schritt

Auch wenn es ein Pro und Contra ist, muss ich zustimmen: Das 49-Euro-Ticket schließt viele Menschen aus. Natürlich würde ich auch lieber für 365 Euro im Jahr im Nahverkehr durch Deutschland fahren. Aber klar ist: Das wird nicht so schnell passieren. Zu zerstritten sind die Parteien in Deutschland, zu wenig einheitlich ist das Tarifnetz und zu groß der Einfluss der Lobbyisten. 356-Euro-Tickets sind schwer durchzusetzen. Ein Versuch in Nürnberg ist beispielsweise gescheitert, obwohl es nur einen einzigen Verkehrsverbund betraf. Für viele Menschen in Deutschland ist das 49-Euro-Ticket bereits eine Erleichterung. In Mittelfranken, wo ich lebe, halbiert sich dadurch der Abo-Preis, den ich zwischen Erlangen und Nürnberg zahlen müsste.

"Vielleicht sollten wir diesen ersten Schritt in Richtung bezahlbaren ÖPNV annehmen, als das, was er ist: ein erster Schritt."

So traurig es ist, ein 365-Euro-Ticket wird in Deutschland nicht so bald kommen und selbst wenn es käme: Wir haben diesen Sommer gemerkt, dass unsere Infrastruktur nicht darauf ausgelegt ist, dass plötzlich alle Bahn fahren. Immer, wenn ich in den letzten Jahren die Hoffnung in die Politik gesetzt habe, sei es beim Tempolimit, dem Verbot von Einwegplastik oder der Legalisierung von Cannabis, am Ende blieb es bei halbgaren Lösungen. Vielleicht sollten wir diesen ersten Schritt in Richtung bezahlbaren ÖPNV annehmen, als das, was er ist: ein erster Schritt.

Nach diesem ersten Schritt dürfen wir aber nicht müde werden, der Politik zu zeigen, dass damit die Sache nicht gegessen ist, dass wir uns weiterhin für einen noch bezahlbareren ÖPNV einsetzen. Dass wir uns nicht abspeisen lassen mit einer Maßnahme, die mal wieder die Ärmsten vergisst. Vielleicht sollten wir als Gesellschaft zeigen, dass wir bereit sind, mehr zu fordern und nicht auf der Hälfte der Strecke stehen zu bleiben.

Ich denke, dass wir das 49-Euro-Ticket als Meilenstein betrachten sollten, der nicht das Ende dieser Diskussion ist. Wir sollten aber erstmal diesen Meilenstein erreichen und dann nicht müde werden, uns für noch mehr einzusetzen. Denn günstiger ÖPNV ist auch nur ein Teil der Mobilitätswende, die unbedingt kommen muss. Nicht nur, für Menschen, die dringend Unterstützung brauchen, sondern für uns alle. Denn wenn wir diese Wende nicht schaffen, brauchen wir bald kein Ticket für Bahnfahrten mehr, sondern eher ein eigenes Boot.