Flüchtlinge müssen nach Ansicht des Vereins SOS-Kinderdorf (München) oft zu lange warten, bis sie zur Schule gehen können. Nicht in allen Bundesländern gebe es sofort eine Schulpflicht für Flüchtlingskinder, sagte die stellvertretende Vorsitzende Birgit Lambertz.

"De facto verzögert sich der Schulbesuch oft um Monate oder gar bis zum Abschluss des Asylverfahrens." Das verstoße nicht nur gegen das Recht auf Bildung der UN-Kinderrechtskonvention, sondern auch gegen das Nicht-Diskriminierungsprinzip, sagte Lambertz mit Blick auf den Welttag der sozialen Gerechtigkeit. Der Tag wurde 2007 von den Vereinten Nationen ins Leben gerufen.

Kinder und Jugendliche sehr lernwillig

"Aus unserer Erfahrung ist der weit überwiegende Teil dieser jungen Menschen sehr motiviert, die Schule zu besuchen", sagte die promovierte Psychologin. Die Flüchtlinge verbrächten einen großen Teil der Zeit damit, zusätzlich Deutsch zu lernen und sich mit Lerninhalten zu beschäftigen. "Man sollte diesen Motivationsschub, den die jungen Leute mitbringen, wirklich nutzen und nicht ins Leere laufen lassen", forderte Lambertz. "Denn Integration ist zuallererst eine Bildungsaufgabe."

Zugleich betonte sie, das System bemühe sich durchaus: "Aber viele Menschen auf einmal adäquat zu versorgen ist nicht immer einfach. Es sind nicht ad hoc Ressourcen da, die man vielleicht bräuchte." Es gebe Kommunen, die sehr schnell agiert hätten, sagte die promovierte Psychologin. "Wir kennen aber auch Kommunen, die ohnehin einen Mangel an Kindergartenplätzen und wenig finanzielle Ressourcen haben." Auch dort kämen viele Flüchtlinge an, so schnell seien aber keine neuen Kindergarten- oder Schulplätze zu schaffen.

Zu große Sonderklassen

Große Sonderklassen, in denen es keine Kinder gebe, die Deutsch sprechen, erschwerten den Spracherwerb der Flüchtlinge sehr, erklärte Lambertz. "Aus unserer Sicht ist es vor diesem Hintergrund zentral, dass Flüchtlingskinder so schnell wie möglich in die Regelangebote aufgenommen werden, damit Integration gelingen kann", betonte sie.

Lambertz verwies auch auf die bestehende Bildungsungleichheit in Deutschland. "Nicht nur bei geflüchteten Menschen hängt der Schul- und Lebenserfolg stark vom Elternhaus ab." Ein Drittel der 30- bis 35-Jährigen mit Migrationshintergrund hätten keinen Schulabschluss, bei jungen Menschen ohne Migrationshintergrund seien es nur 10 Prozent. "Das sollte eine Gesellschaft so nicht zulassen", betonte sie.

Flüchtlingskinder sollten Chance bekommen

"Kinder sollten unabhängig von ihrer Herkunft oder von ihrer familiären Lebenslage durch unser Bildungssystem die gleichen Chancen bekommen und sie gleichermaßen nutzen können", forderte Lambertz. "Formale Bildung ist der Schlüssel zur gesellschaftlichen Integration. Das gilt für alle Menschen."