Mit 114 Ausstellern aus sechs Ländern ist die Halle für die Werkstätten-Messe in Nürnberg derzeit gut gefüllt. Aber die diesjährige Ausgabe der Werkstätten-Messe 2023 ist die letzte Ausgabe ihrer Art.

Seit 2006 fand die Fachmesse für berufliche Teilhabe und Leistungsschau der Werkstätten für behinderte Menschen im Messezentrum Nürnberg statt. Doch der ideelle Träger des Branchentreffs, die Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen (BAG WfbM), ist auf der Suche nach einem neuen Format, wie die Verantwortlichen am Mittwoch bestätigten.

Neuer Messeplatz noch nicht gefunden

In Zukunft werde der Kongress-Teil als zentrale Austauschplattform gestärkt, der Ausstellungsbereich voraussichtlich deutlich kleiner. Ein neuer Messeplatz sei noch nicht gefunden. Der Vorstandsvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft, Martin Berg, stellte aber klar:

"Nürnberg ist in der letzten Runde der Standortauswahl nicht mehr dabei."

Die besten Jahre habe die Werkstätten-Messe 2013 bis 2015 mit teils über 200 Ausstellern und über 20.000 Besuchern gehabt, erinnert sich Berg. Doch die Produkte, die die Werkstätten aus dem ganzen Bundesgebiet präsentierten, wurden immer weniger gekauft. Für Aussteller etwa aus dem hohen Norden, die mit Schreinerarbeiten und anderen Einrichtungsprodukten angereist kamen, war der Auftritt zuletzt ein Draufzahlgeschäft.

Behinderte Menschen nicht präsentieren, sondern teilhaben lassen

Auch der bisherige Messeansatz, die Fähigkeiten von Menschen mit Behinderungen in die breite Öffentlichkeit zu tragen, hat sich aus Sicht von Berg überlebt.

"Wir wollen behinderte Menschen nicht präsentieren, sondern teilhaben lassen."

Zudem stoße der inklusive Gedanke im Kongresspart an seine Grenzen. Zwar richten sich auch diesmal im Kongress viele der rund 100 Vorträgen an behinderte und nichtbehinderte Teilnehmer. "Manche Themen lassen sich in leichter Sprache nur in viel längerer Zeit darstellen."

Nachholbedarf bei Digitalisierung

Die BAG WfbM hat nun ein Positionspapier vorgestellt zum digitalen Aufbruch für die bundesweit 700 Hauptwerkstätten, die an gut 3.000 Standorten 310.000 Menschen mit Behinderungen beschäftigen. Berg sieht für die Werkstätten einen großen Nachholbedarf angesichts der fortschreitenden Digitalisierung. Aus Eigenmitteln könnten die Kosten für digitale Infrastruktur, etwa für computergesteuerte Maschinen mit Qualitätskontrolle durch Künstliche Intelligenz, nicht finanziert werden. Außerdem müssten sowohl die behinderten Beschäftigten als auch das Fachpersonal geschult werden.

Den Finanzbedarf für den digitalen Aufbruch der Werkstätten will Berg nicht beziffern. Bei 700 Werkstätten könnte allerdings schnell ein zweistelliger Millionenbetrag auf die Arbeitsagenturen oder Sozialträger zukommen. Es geht aber nicht nur um eine einmalige Anschubfinanzierung, sondern Jahr für Jahr um eine verstetigte Finanzierung der digitalen Infrastruktur.

Geld gegen den Digital Gap

Der Geldsegen soll den sogenannten "Digital Gap" verringern. Denn Menschen mit Behinderungen haben durchschnittlich weniger Zugang zu technischen Endgeräten oder Assistenzsystemen. Die digitale Teilhabe sei bislang alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Dabei verspricht sich Berg durch einen digitalen Aufbruch neue Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf. Die Gefahr, dass Arbeitsplätze wegrationalisiert werden, sieht der Verbandschef nicht. Im Gegenteil könnten digitale Kompetenzen auch den Einstieg aus den Werkstätten in den ersten Arbeitsmarkt erleichtern.

Bei der Werkstätten-Messe in Nürnberg stellen noch bis zum Samstag (22. April) 114 Aussteller aus sechs Ländern aus. Bei einem dazugehörigen Kongress stehen 100 Vorträge auf dem Programm.

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