Der Regensburger Kulturwissenschaftler Gunther Hirschfelder hat vor einem "digitalen Overkill" gewarnt. Das Digitale bleibe "in der Summe irgendwie defizitär", sagte der Professor für Vergleichende Kulturwissenschaft an der Universität Regensburg dem Sonntagsblatt. Viele Menschen sehnten sich danach, bleibende Werte im Hier und Jetzt zu schaffen und die Zeit festzuhalten.

Mensch kann nur bis zu bestimmten Punkt digital leben

Der Mensch könne und wolle nur bis zu einem bestimmten Punkt in einem digitalisierten Umfeld leben.

"Dieser gewisse Punkt ist für viele junge Leute bereits jetzt erreicht",

sagte der Buchautor mit Blick auf die Renaissance älterer Technik, etwa von Schallplattenspielern, Füllfederhaltern, mechanischen Uhren oder von analoger Fotografie. 

"Wir haben viele jüngere Leute, die ihr Leben total asynchron führen", führte Hirschfelder aus. Man verabrede sich per Textnachricht oder telefoniere stundenlang zeitversetzt mit Sprachnachrichten. Treffen in Präsenz würden weniger. Viele Studierende hätten psychische Problemen.

Gefühl für das Analoge verloren

Hirschfelder sagte weiter: "Durch das Digitale haben wir das Gefühl für das Analoge verloren."

Der Mensch aber habe "ein Bedürfnis nach dem Analogen, er hat eine Sehnsucht nach Natur, Sonne, nach Berührungen von anderen Menschen."

Das sei auch ein Stück weit Zivilisationskritik, "denn es ist ja immer auch Technologiekritik". Insofern seien Trends wie die Wiederbelebung der analogen Fotografie eine Strategie des Protests, "eine Kritik an der vorherrschenden Technologie".

Religion als Gegenmittel

Besonders schmerzlich sei das alles, wenn es keinen Trost durch eine Religion gebe.

"Relativierung durch eine Religion bedeutet ja, dass ich mich nicht mehr so wichtig nehme, sondern Erfüllung im Gemeinwohl oder dem Wohl von irgendjemand anders finde."

Das Erleben von Gemeinschaft könne auch erfüllend sein.

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