Amnesty International beobachtet weltweit eine Zunahme staatlicher Unterdrückung von Protest.

  • Behörden wendeten zunehmend unrechtmäßig Gewalt an und erließen repressive Gesetze, um Proteste niederzuschlagen, erklärte die Menschenrechtsorganisation am Dienstag bei der Vorstellung einer digitalen Weltkarte zu dem Thema.
  • Diese "Protest Map" führt erstmals auch Deutschland als ein Land auf, in dem die Versammlungsfreiheit eingeschränkt werde.

In mindestens 86 der untersuchten 156 Länder hätten staatliche Stelle im vergangenen Jahr unrechtmäßige Gewalt gegen friedlich Demonstrierende eingesetzt, erklärte Amnesty. In 37 Ländern hätten Sicherheitskräfte sogar tödliche Waffen verwendet.

Deutschland schränkt Versammlungsfreiheit zunehmend ein

Die Recherchen hätten außerdem gezeigt, dass Protestierende in 79 der untersuchten Länder willkürlich inhaftiert worden seien. Teils seien Demonstrierende schweren Repressionen ausgesetzt, würden gefoltert, misshandelt, Opfer der Praxis des Verschwindenlassens oder getötet.

Deutschland sei erstmals als Land gelistet, in dem das Recht auf Versammlungsfreiheit zunehmend eingeschränkt werde, hieß es. Angeführt werden Beispiele für Präventivhaft, Schmerzgriffe, repressive Gesetzgebung und Versammlungsverbote.

Klimaprotest und Nakba-Gedenken am meisten betroffen

Vor allem Klimaaktivist*innen seien zurzeit zunehmenden Repressionen ausgesetzt. So habe die bayerische Polizei seit Oktober 2022 Dutzende Aktivisten für bis zu 30 Tage in Präventivhaft genommen, zuletzt im Zusammenhang mit der IAA.

"Obwohl die Präventivhaft ursprünglich zur Verhinderung schwerer Gewaltdelikte gedacht war, wurde sie in den vergangenen Jahren vor allem zu Abschreckungszwecken gegen Klimaaktivistinnen und -aktivisten eingesetzt",

erklärte Amnesty-Expertin Paula Zimmermann.

Einige Städte in Deutschland haben zuletzt versucht, durch präventive Versammlungsverbote Klimaprotest zu unterbinden. Auch wurden in Berlin alle Demonstrationen rund um den Nakba-Gedenktag im Mai 2023 (wie auch schon 2022) untersagt. Diese Versammlungsverbote werden von Amnesty International auch aufgrund ihrer Pauschalität als unverhältnismäßig einstuft.  

Einkesseln und Polizeigewalt

Ein weiteres Problem sei das polizeiliche Einkesseln von Versammlungsteilnehmer*innen – beispielsweise in Leipzig im Juni 2023, wo rund 1.000 Menschen, darunter auch Minderjährige, etwa elf Stunden lang ohne ausreichenden Zugang zu Nahrungsmitteln, medizinischer Versorgung und sanitären Einrichtungen von der Polizei festgesetzt wurden. 

Schließlich seien in den vergangenen Jahren auch Fälle von übermäßiger Polizeigewalt gemeldet worden, insbesondere bei Straßenblockaden, führte Amnesty  an.

"Wir appellieren an die Bundes- und Landesregierungen, die Versammlungsfreiheit in Deutschland umfassend zu schützen", betonte Zimmermann.

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