An der unterschiedlichen Verteilung der Sorgearbeit zwischen Frauen und Männern hat sich in den vergangenen zehn Jahren wenig geändert. Das zeigt die Zeitverwendungserhebung 2022, die das Statistische Bundesamt am Mittwoch in Berlin vorgestellt hat.

Die Präsidentin des Amts, Ruth Brand, bilanzierte: Die Lücke bei der unbezahlten Arbeit werde kleiner, "sie ist aber nach wie vor beträchtlich." Anteilig leisten Frauen 43,8 Prozent mehr unbezahlte Arbeit als Männer, vor zehn Jahren waren es 52 Prozent.

43,8 Prozent mehr unbezahlte Arbeit

Frauen haben damit der Erhebung zufolge im Jahr 2022 jede Woche im Durchschnitt neun Stunden mehr unbezahlte Arbeit verrichtet als Männer. Sie leisteten laut Statistik von insgesamt 45 Stunden und 18 Minuten Arbeit pro Woche knapp 30 Stunden ohne Bezahlung. Männer kämen im Durchschnitt bei insgesamt knapp 44 Wochenstunden auf knapp 21 unbezahlte Stunden.

Im Wesentlichen ist dies Sorgearbeit, also Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen und die Haushaltsführung.

In NRW sehen die Anteile ähnlich aus: Laut Statistischem Landesamt (IT.NRW) leisteten Frauen hier 2022 jede Woche im Schnitt knapp zehn Stunden mehr unbezahlte Arbeit als Männer. Bei Frauen belief sich die gesamte Arbeitszeit auf 44 Stunden und 31 Minuten und lag damit höher als die Gesamtarbeitszeit der Männer mit 43 Stunden und sechs Minuten. Frauen arbeiteten davon knapp 30 Stunden unbezahlt, Männer rund 20 Stunden.

Nachteile durch Mehrarbeit bei Frauen

Nach den Worten von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) ist die Mehrarbeit der Frauen "deutlich zu viel". Einen Tag vor dem Equal Care Day, der alle vier Jahre am 29. Februar begangen wird, um auf die ungleiche Verteilung aufmerksam zu machen, erklärte die Ministerin, der faire Ausgleich bei unbezahlter Sorgearbeit sei ihr ein wichtiges Anliegen.

Die Ungleichheit bedeute für Frauen meist ein geringeres Gehalt, weniger berufliche Chancen und eine prekäre Alterssicherung.

Situation in Familien

Eltern arbeiten laut bundesweiter Statistik insgesamt pro Woche elf Stunden mehr als Erwachsene ohne Kinder. Unverändert übernehmen weit überwiegend die Mütter die Care-Arbeit, insbesondere für kleine Kinder.

Sie sind bis zum sechsten Lebensjahr des Kindes im Durchschnitt nur 13 Wochenstunden erwerbstätig. Das ändert sich, wenn die Kinder älter werden: Mütter mit Kindern von sechs bis 17 Jahre gehen im Durchschnitt 21,5 Stunden pro Woche einer bezahlten Arbeit nach und damit nur eine Stunde weniger als Frauen ohne Kinder.

Erwerbstätige Eltern

Hier hat sich seit der vorigen Erhebung 2012/2013 etwas getan: Vor zehn Jahren lag der Unterschied in Deutschland bei 3,5 Stunden. Bei den Männern im erwerbsfähigen Alter ist hingegen allein aus den Zahlen keine Entwicklung abzulesen: Väter arbeiten weiterhin - unabhängig vom Alter der Kinder - im Durchschnitt 32 bezahlte Wochenstunden - und damit sogar 4,5 Stunden länger als Männer ohne Kinder.

Die wissenschaftliche Direktorin des gewerkschaftsnahen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung, Bettina Kohlrausch, bilanzierte, insgesamt bleibe "die Geschlechterungleichheit sehr stabil".

Neue Studie

Für die Analyse haben rund 10.000 Haushalte mit 20.000 Personen von zehn Jahren an aufwärts vom 1. Januar bis 31. Dezember 2022 an drei Tagen ein Zeit-Tagebuch geführt. Die aktuelle Erhebung ist die vierte seit Beginn der 1990er Jahre im Abstand von jeweils zehn Jahren. Sie hat die Verteilung unbezahlter und bezahlter Arbeit zum Schwerpunkt.

Die Menschen wurden nicht nur gefragt, wie sie ihre Zeit tatsächlich verwenden, sondern auch danach, wie sie sie empfinden und was sie sich wünschen. Erstmals wurde nach Einsamkeit gefragt, und jede sechste Person über zehn Jahren gab an, sich oft einsam zu fühlen.

Am häufigsten ist Einsamkeit unter 18- bis 29-Jährigen: Jede und jeder Vierte fühlte sich oft einsam. Naheliegend ist aus Sicht der Forscher, dieses Ergebnis im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie zu sehen.

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