Der Münchner Kabarettist Christian Springer kommt in Fahrt.

"Wenn ich von der Bühne gehe, dann will ich das, was ich gesagt habe, auch im Alltag leben."

Jeder müsse sich einmischen, findet er. Die Themen, die ihn seit Jahren umtreiben, sind: für Demokratie und Frieden und gegen jede Art von Menschenfeindlichkeit und Hass eintreten. Er hat den Verein Orienthelfer gegründet, mit dem er den Menschen in den Krisengebieten im Nahen Osten helfen will. Mit der 2020 gegründeten Initiative Schulterschluss will er politische Bildungsarbeit und einen Beitrag für eine lebendige Erinnerungskultur leisten.

Installationen erinnern an 100 Jahre Hitler-Prozess

Aktuell erinnert er mit einer dreiteiligen Installationsserie an 100 Jahre Hitlerputsch (1923), 100 Jahre Hitler-Prozess (1924) und 100 Jahre Hitler in Haft (1924). Ab dem 13. Mai bis voraussichtlich mindestens Ende Juni ist er im Münchner Justizpalast zu Gast, um an das Versagen der bayerischen Justiz im Hitler-Prozess zu erinnern. Wenn diese nicht auf dem rechten Auge blind und weniger mit der Rechtsaußen-Politik geliebäugelt hätte, dann hätte man den Aufstieg Adolf Hitlers vielleicht verhindern können, sagt Springer. Den Mittelpunkt seiner Installation bilden von der Decke hängende Stühle im Lichthof des Justizpalastes, die derzeit noch gebaut werden. Mit dem Stuhl-Symbol will Springer an die geschichtlichen Ereignisse erinnern.

Hitler war am Abend des 8. November 1923 im Münchner Bürgerbräukeller auf einen Stuhl gestiegen, hatte dann in die Luft geschossen und die Regierungen in Bayern und in Berlin für abgesetzt erklärt. Der Marsch auf die Feldherrnhalle am nächsten Tag konnte von der Polizei gestoppt werden, der Putschversuch schlug fehl. Hitler musste sich neben anderen Putschisten vor dem Münchner Volksgericht wegen Hochverrats verantworten. Die Strafe fiel - dank der rechtskonservativen Justiz - äußerst mild aus: Hitler wurde zu fünf Jahren Haft in Landsberg am Lech verurteilt, wo er sein Pamphlet "Mein Kampf" schrieb. Nach neun Monaten wurde er wegen guter Führung wieder entlassen.

Justizminister Georg Eisenreich (CSU) sagt, dass die Justiz damals ein "unrühmliche Rolle gespielt und Hitler nicht gestoppt" habe - obwohl es ihre Pflicht gewesen wäre. Die bayerische Justiz habe es zugelassen, dass Hitler den Gerichtssaal als Bühne für seine menschenverachtende Propaganda nutzen konnte. Über das Projekt von Christian Springer im Justizpalast freue er sich sehr, denn: Die Auseinandersetzung mit dem Aufstieg von Adolf Hitler sei gerade in diesen Tagen besonders bedeutsam. "Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechte müssen Tag für Tag verteidigt werden."

Demokratie in Deutschland keine Selbstverständlichkeit

Das findet auch Christian Springer. Für ihn ist die Demokratie in Deutschland in ihrer jetzigen Form keine Selbstverständlichkeit. "Wir müssen alles daran setzen, dass sie auch weiter bestehen bleibt, wir müssen wehrhaft mit Herz und Hirn sein." Noch habe die AfD in keinem Landtag eine Mehrheit - "das beruhigt mich sehr". Aber das könne sich bald ändern, warnt er mit Blick auf die anstehenden Wahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen im September, wo die AfD jeweils laut Umfrage derzeit stärkste Kraft ist.

Auf die Frage, warum er sich so sehr für Demokratie und gegen Rechtsextremismus engagiert, muss er nur kurz nachdenken: vor allem die familiäre Vergangenheit, meint er. Seine Oma war Haushälterin bei der Familie des Mitbegründers der NS-Widerstandsgruppe Weiße Rose, Alexander Schmorell. Aus Erzählungen habe er daher immer im Blick gehabt, was in München während der NS-Zeit los gewesen sei.

Anfang der 1990er-Jahre habe ihn seine Mutter zu den Demos und Lichterketten in Solidarität mit den Opfern der Brandanschläge auf Asylbewerberheime in Mölln (1992) und Solingen (1993) mitgenommen. Seine familiäre Vergangenheit sei für ihn immer ein Antrieb gewesen, sagt Springer:

"Wir haben uns entschieden, nicht zu den Schlechten zu gehören. Und dafür muss man was tun."

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