Die Glaubensgemeinschaft der Jesiden sieht sich immer wieder Anfeindungen ausgesetzt. Aktuell kursieren in den sozialen Medien Videos, die den jesidischen Glauben verunglimpfen und die Gläubigen als "Teufelsanbeter" darstellen. 

Die Anfeindungen gegen Jesiden kommen überwiegend von Muslimen. Es handelt sich beim Jesidentum um eine monotheistische Religion mit Wurzeln im Nahen Osten, die meisten Gläubigen stammen aus dem Nordirak. Die Geschichte der Jesiden soll bis 2.000 Jahre vor Christus zurückreichen. Weltweit bekennen sich etwa 1,5 Millionen Menschen zum jesidischen Glauben. 

Der jesidische Musiker Mazgen Al-Naser, Künstlername Erso, erklärt im Sonntagsblatt-Gespräch, woher die Vorurteile seiner Meinung nach kommen. Al-Naser ist 19 Jahre alt, er wurde im Nordirak geboren. Mit sechs Jahren kam er nach Deutschland, zur Zeit macht er sein Abitur in Duisburg. Auf seinem Instagram-Kanal Ersomusic unterhält er sein Publikum überwiegend mit Musik. 

Sie haben mir erzählt, dass Sie in letzter Zeit sehen, dass viele falsche Behauptungen über den jesidischen Glauben kursieren. Wie haben Sie das mitbekommen?

Erso: Ich bin Musiker. Ich mache auf Social Media eigentlich musikalische Sachen und bringe die Menschen zum Lachen. In letzter Zeit sehe ich aber öfters auf Facebook und auf Instagram "wissenschaftliche" Videos, in denen immer wieder behauptet wird, dass wir Jesiden an einen Teufel glauben würden.

"Wir werden von sehr vielen Muslimen als Teufelsanbeter oder Feueranbeter abgestempelt."

Das stimmt aber nicht.

Erso: Nein, natürlich nicht. Bei uns ist es sogar verboten, allein schon den Namen des Teufels auszusprechen. Trotzdem werden wir von sehr vielen Muslimen als Teufelsanbeter oder Feueranbeter abgestempelt.

Wie kommt das?

Erso: Das hat den Grund, dass bei den Muslimen einer unserer Engel, der den Namen Pfau (Melek Taus bedeutet Engel Pfau, Anm. d. Red.) hat, das Böse darstellt. Und aus dem Grund kursieren über Jesiden leider sehr viel negative und falsche Gerüchte im Internet.

Was genau hat es mit dem Pfau denn auf sich? Er ist das Symbol der Jesiden, oder?

Erso: Genau. Er ist ein Symbol unseres Glaubens. Dahinter steckt folgende Geschichte: Gott befahl seinen Engeln, sich vor Adam zu beugen. Die taten das auch, bis auf Melek Taus. Gott wollte die Engel testen, ob sie sich beugen vor dem Menschen. Aber Melek Taus sagte: ‚Nein. Ich erinnere mich an dein erstes Gebot. Du sagtest uns, wir dürfen uns nicht vor der Menschheit beugen.‘ Deswegen wurde dieser Engel für uns auf die höchste Stufe gestellt. Wir glauben also nicht an einen Pfau oder so, der Engel Gottes heißt nur so.

Fehlinformationen über Jesiden im Netz

Die jesidisch-deutsche Journalistin und Menschenrechtsaktivistin Düzen Tekkal weist auf ihrem Twitter-Account ebenfalls auf das Video hin. Sie macht auch deutlich, dass die Falschbehauptungen genau dieselben sind, die 2014 zum Genozid der Terrormiliz IS an den Jesiden geführt hat.

Und was stört manche Muslime daran?

Erso: Bei den Muslimen spielt der Pfau eine andere Rolle. In deren Vorstellung ist die gleiche Geschichte auch passiert. Aber weil Melek Taus nicht auf Gott gehört hat, wurde er den Muslimen zufolge in die Hölle eingesperrt. Und deshalb glauben viele Muslime fälschlicherweise, wir würden den Teufel anbeten.

"Man sollte sich doch erst mal mit den Religionen gut auskennen, bevor man andere Religionen so falsch darstellt."

Es ist also eigentlich ein Missverständnis?

Erso: Ja, es ist eindeutig ein Missverständnis. Und man muss auch bedenken, dass das nicht von irgendjemandem einfach so gesagt wird, sondern speziell von muslimischen Gelehrten. Aber ein Wissenschaftler sollte sich doch erst mal mit den Religionen gut auskennen, bevor er andere Religionen so falsch darstellt.

Welche Auswirkungen haben diese Fehlinformationen denn?

Ersem Feresh: Wenn muslimische Kinder das so annehmen, dass die Jesiden an einen Teufel glauben, dann werden sie das in der Schule weitererzählen. Und so kommt es im Endeffekt zu Auseinandersetzungen - wegen dieser Unklarheiten.

"Ich bin Jeside und sehe ein, dass jede Religion schöne Ansichten hat. Jede Religion ist schön und jeder Mensch sollte glauben, was er will."

Haben Sie selbst auch schon Probleme deswegen gehabt?

Erso: Ja, ich habe Nachrichten bekommen, in denen ich beleidigt, bedroht und sogar erpresst wurde, nachdem ich Videos veröffentlicht habe, in denen ich erklärt habe, dass die Behauptungen über Jesiden nicht stimmen. Ich meine, manche behaupten ja sogar, dass Jesiden Muslime hassen würden. Ich habe viele muslimische Freunde und würde niemals einen Menschen aufgrund seines Glaubens hassen. Von mir aus können die auch an eine Flasche glauben, das interessiert mich gar nicht.

Mir geht es nur darum, dass eine Person ehrlich ist, loyal ist und nichts gegen andere Menschen oder gegen eine Religion hat. Man sollte nicht gegeneinander sein, sondern in einem Land wie in Deutschland sollten wir alle zusammenhalten und keine Unterschiede zwischen Menschen sehen. Wir sollen keine Religion runterziehen oder schlecht darstellen. Ich bin Jeside und sehe ein, dass jede Religion schöne Ansichten hat. Jede Religion ist schön und jeder Mensch sollte glauben, was er will.

(Der Artikel wurde erstmals im Januar 2022 veröffentlicht.)