"Im Islam ist Jesus ein Prophet."

Herr und Frau Josua, Sie haben ein Buch zu "Weihnachten und Muslime" (EVA-Verlag Leipzig) geschrieben. Was ist Ihre Meinung, ist es aus theologischer Sicht angemessen, muslimischen Mitbürgern "Frohe Weihnachten" zu wünschen?

Hanna Josua: Ja auf jeden Fall: Abgesehen davon, dass es eine freundliche und höfliche Geste ist, gibt es auch theologisch gesehen Gründe dafür: Im Islam ist Jesus ein Prophet und im Koran wird ebenfalls von seiner Geburt berichtet. Ein "Frohes Fest" kann man also durchaus wünschen.

Herr Josua, Sie sind selbst Islamwissenschaftler und gleichzeitig christlicher Theologe: Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede gibt es, wenn man die beiden Erzählungen über die Geburt in Bibel und Koran vergleicht?

Hanna Josua: In der Bibel und im Koran ist die Rede vom Engel Gabriel und von der Jungfrau Maria und dem Jesuskind. Aber die Erzählungen haben unterschiedliche Stoßrichtungen: Die Grundaussage des Neuen Testamentes ist: Aus Liebe zu den Menschen kommt Gott zu uns. Die Intention des Korans ist es vor allem, die Einheit und Allmacht Gottes zu bestätigen. Und alle Propheten verkündigen diese Botschaft - auch der Prophet Isa, wie Jesus im Koran genannt wird.

Welche Rolle spielt Maria im Koran?

Heidi Josua: Im Koran ist Maria beziehungsweise Maryam die einzige Frau, die mit Namen genannt wird, ja eine ganze Sure trägt ihren Namen. Wegen ihrer Frömmigkeit hat sie im Koran eine enorm hohe Stellung. Wenn ich aber die Weihnachtsgeschichte in der Bibel lese, dann geht diese über die Person der Maria hinaus: Maria preist in ihrem Lobgesang Gott, und das Magnificat weist über das bloße Menschsein Jesu hinaus. Insofern ist die biblische Weihnachtsgeschichte keine Geschichte über Maria, sondern eine Christusgeschichte.

Hanna Josua: Im Koran wird berichtet, dass das kleine Kind, Isa, spricht und seine Mutter verteidigt, als die Umgebung erfährt, dass diese schwanger war, ohne verheiratet zu sein. Das Baby sagt: Ich bin ein Diener Gottes. In der Bibel spricht der Engel bei der Ankündigung der Geburt Jesu bei Maria vom "Sohn des Höchsten". Dies zeigt die unterschiedliche Sicht auf die Person Jesu.

"So wie Muslime gastfreundlich sind im Fastenmonat Ramadan, sollten auch Christen es an Weihnachten sein."

Frau Josua, als Leiterin des Evangelischen Salam-Centers in Stuttgart sprechen Sie sich in Ihrem Buch dafür aus, auch mit Muslimen über Weihnachten zu reden, und das Fest der Geburt Jesu gemeinsam zu feiern. Warum ist Ihnen das so wichtig?

Heidi Josua: Gastfreundschaft ist im Nahen Osten eines der höchsten Güter und oft ist es für Menschen aus der orientalischen Gesellschaft sehr schmerzhaft zu erleben, dass unsere Türen häufig verschlossen sind. Dies kann an Weihnachten geändert werden, ja es bietet sich geradezu an, zum gemeinsamen Plätzchenbacken oder Sternebasteln einzuladen. So wie Muslime gastfreundlich sind im Fastenmonat Ramadan, sollten auch Christen es an Weihnachten sein. Wir sollten einfach unsere eigene Weihnachtsfreude mit anderen teilen. Im Nahen Osten ist es selbstverständlich, über religiöse Themen zu sprechen, in der westlichen Kultur wird das meist schamhaft vermieden: Man spricht nicht über Geld und nicht über Religion. Weihnachten ist eine Möglichkeit, ganz normal über Religion zu reden, weil es eine Geschichte mit Personen ist, die Muslimen vertraut sind, und es nicht so konträr unterschiedlich gesehen wird, wie das Osterfest.

Und wie konkret könnte es denn aussehen, über Weihnachten ins Gespräch zu kommen?

Heidi Josua: Beispielsweise indem weihnachtliche Symbole erklärt werden. Advent ist die Zeit der Lichter - ein Zeichen dafür, dass Jesus kam, um das Dunkel in dieser Welt und in jedem einzelnen Leben zu erhellen. Oder man kann vom Stern reden, der die Weisen aus dem Morgenland zum Kind in der Krippe führte oder über den immergrünen Christbaum als Symbol des Lebens.

Hanna Josua: Was mir noch wichtig ist, zu betonen: In der Weihnachtsgeschichte klopften Josef und Maria an den Türen der Herbergen an und fanden keinen Platz. In unserer Zeit sollte das Gegenteil geschehen, dass wir unsere Häuser für die Menschen öffnen, die in unser Land kommen.

"Immer wieder kommen auch Muslime, weil sie gerne mitfeiern wollen."

Aber Weihnachten ist doch auch ein Fest der Familie - ist es nicht manchmal schwierig, das zu vereinbaren?

Heidi Josua: In der Tat, das haben wir auch erlebt. Unsere Kinder fanden das nicht immer gut, wenn wir an Weihnachten weitere Gäste zu Besuch hatten und uns deshalb weniger auf sie konzentrieren konnten. Deshalb hat es sich bei uns bewährt, dass der Heiligabend der Familie gehört und der erste Weihnachtsfeiertag der Tag ist, an dem wir mit der arabischen Gemeinde Weihnachten feiern und jeder kommen darf, der sonst keine Angehörigen hat. Immer wieder kommen auch Muslime, weil sie gerne mitfeiern wollen. Das ist eine ganz schöne Sache, wenn Menschen erfahren, dass sie in die Häuser und Feste mit eingebunden werden und ein Teil davon sind.