In so einem Theologiestudium lernt man wirklich viel: Wie alt die Texte der Bibel sind und wie oft sie von anderen Menschen umgeschrieben wurden. Seit wann Christinnen und Christen das Abendmahl feiern. Und warum. Ich habe auch zusammen mit Juristinnen und Philosophen studiert, ein Seminar über die Rolle von Religion in der Globalisierung besucht und eines über Seelsorge im Krankenhaus. Ich kann (theoretisch) Latein, Griechisch und Hebräisch.

Nicht alles, was ich gelernt habe, brauche ich jeden Tag in meinem Beruf als Pfarrerin. Das ist ok. Was mich allerdings manchmal wirklich stresst: Was ich alles nicht gelernt habe und deshalb auch nicht kann.

Hier eine kleine Auswahl:

  • Ich habe nicht gelernt, Haushaltspläne zu erstellen und Abrechnungen von Handwerksfirmen zu kontrollieren.
  • Ich habe nicht gelernt, Mikrofonanlagen zu verkabeln, damit meine Konfirmandinnen im Gottesdienst mitmachen können.
  • Ich habe nicht gelernt, wie man eine Heißklebepistole bedient, ohne sich dabei alle Finger zu verbrennen.
  • Ich weiß nicht, wie man einen Serienbrief erstellt und ich weiß nicht, wie man Plakate und Handzettel gestaltet, die nicht nach Kirche aussehen.

Und ja, das stresst mich manchmal. Weil ich das alles gerne könnte. Stattdessen frage ich um Hilfe: Meinen erfahrenen älteren Kollegen, unsere Assistentin, eine Sängerin aus dem Gospelchor, die das Layout für unsere neuen Geburtstagsbriefe macht. Und ich improvisiere. Ständig. Weil ich nicht genau weiß, wie es geht, geht es dann eben irgendwie.

Meistens bleibt mir dabei ein Gefühl von Unzulänglichkeit.

Und komischerweise manchmal auch von so etwas wie…ja, wie Betrug: Ich kann das alles hier eigentlich nur so halb, merkt das denn niemand? Aber: Nein. Es merkt niemand. Menschen helfen mir. Gerne sogar. Nur ganz selten klappt etwas so gar nicht und mir geht irgendwas verloren oder ich übersehe einen Fehler in einer Abrechnung.

Und genau dabei lerne ich am meisten. Nicht so viel über Layout, Abrechnungen und Tonanlagen. Sondern übers Unperfektsein. Ich lerne, dass ich nicht alles können muss. Dass andere sich sogar freuen, wenn sie mir helfen können. Ich lerne, dass es andere entlastet, wenn ich sage: Sowas kann ich nicht.

Oder: Das hab ich einfach nicht besser hingekriegt. Schöner scheitern ist das. Eine liebevolle Fehlerkultur, über die ich in Predigten so oft rede und bei mir selber oft vergesse. Weil ich nämlich eigentlich schon ganz gerne alles kann. Und auch, weil viele Menschen das von ihren Pfarrerinnen und Pfarrern erwarten. Dass sie ein bisschen bessere Menschen sind als sie selbst. Ein bisschen heiliger, ein bisschen näher dran am lieben Gott. Und deshalb auch weniger Fehler machen. Aber natürlich ist das nicht so.

Ich hab genauso viele blinde Flecken wie die Menschen, mit denen ich Gottesdienst feiere. Ich kann genauso viel oder wenig wie sie. Und vor allem: Ich scheitere genauso schön. Wenn ich mich traue.

Ich kann nicht alles selber machen. Entweder, weil ich es nicht gelernt habe oder weil ich zu spät dran bin oder einfach, weil ich die Welt nicht alleine in den Griff kriegen muss. "Der Platz des Erlösers ist schon besetzt", sagt ein Freund von mir dann immer. Recht hat er. Wenn ich schon immer darüber predige, dass wir uns nicht selbst erlösen können, sollte ich auch Hilfe annehmen. Ich brauche sie nämlich.