Für viele ist sie die "Göttliche", deren stimmliche Brillanz, Können und Wagemut einzigartig und bis heute unübertroffen sind: Maria Callas, "Primadonna assoluta" der Oper. Dabei kennen die meisten sie nur von wenigen verrauschten Aufnahmen der 50er Jahre, als sie die bejubelten Partien der "Norma" von Bellini oder der "Tosca" von Puccini sang - und von alten Skandal-Pressefotos natürlich. Vor 100 Jahren, am 2. Dezember 1923, kam die griechische Sopranistin zur Welt. Sie wurde nur 53 Jahre alt, aber ihr Mythos ist lebendig.

Schon zu Lebzeiten galt sie als Legende der Opernwelt. Was Kritiker und Publikum an "der Callas" derart faszinierte, war wohl, dass ihr leidenschaftliches Leben, Tragik und Triumph, sich in ihrem intensiven, Grenzen sprengenden und oft schmerzvollen Gesang widerzuspiegeln schien. Die Schriftstellerin Ingeborg Bachmann schrieb in ihrer "Hommage an Maria Callas": "Sie hat nicht Rollen gesungen, niemals, sondern auf der Rasierklinge gelebt."

Maria Callas war eine Legende

Als Maria Kalogeropoulos wurde sie im Spätherbst des Jahres 1923 in New York geboren, wohin die griechischstämmigen Eltern ausgewandert waren. Später änderte der Vater den Familiennamen in Callas. Nach der Scheidung ging Maria 1937 mit Mutter und Schwester nach Athen. Sie erhielt Gesangsunterricht bei der berühmten Opernsängerin Elvira de Hidalgo, die das pummelige und unsichere Mädchen auch persönlich unter ihre Fittiche nahm. Es war eine Zeit gewissenhafter Ausbildung und gründlichen Rollenstudiums.

Nach ersten Auftritten in Griechenland - 1942 singt Callas erstmals die "Tosca" und wird bereits für die emotionale Tiefe ihrer Interpretation gefeiert - und nach einer kurzzeitigen Rückkehr in die USA, entdeckt der Leiter der Festspiele der Arena di Verona, Giovanni Zenatello, ihr Talent. Er engagiert sie 1947 als "La Gioconda" von Amilcare Ponchielli. Ihre beispiellose Opernkarriere beginnt.

Maria Callas in Italien

In Italien heiratet Maria 1949 den sehr viel älteren Unternehmer Gian Battista Meneghini. Sie wird zu einer eleganten Erscheinung, zu "La divina" ("Die Göttliche"), wenn auch viele Italiener ihre Konkurrentin Renata Tebaldi bevorzugen. In Florenz und an der Mailänder Scala kann sich Callas 1951 dann aber endgültig durchsetzen. Die Bühnen der Welt stehen ihr nun offen.

Die 1950er Jahre sind ihr Jahrzehnt. Sie singt 1952 und 1953 in Mailand die Lady in "Macbeth" von Verdi und die Titelpartie der "Medea" von Cherubini, erntet Jubel und Beifallsstürme. In den folgenden Jahren bezaubert und rührt sie als "Aida", "Sonnambula" oder "La Traviata", singt ekstatisch in "Lucia di Lammermoor" von Gaetano Donizetti.

Ihre geschulte Stimme konnte virtuos und zugleich zart-elegisch sein, wie ihr Biograf Jürgen Kesting in der "Frankfurter Allgemeine Zeitung" schrieb. Diese Stimme, die manche mitunter gar als hässlich empfanden, war in der Lage, auch ambivalenten Charakteren Ausdruck zu verleihen.

Die Renaissance des Belcanto (italienisch: "schöner Gesang") an den europäischen Opernhäusern ist bis heute ihr Verdienst. Diese Ende des 16. Jahrhunderts in Italien entwickelte Gesangstechnik und Ästhetik des Singens war als übertrieben verschnörkelt verschrien und aus der Mode gekommen. Die Callas brachte das Repertoire Rossinis, Donizettis und Bellinis mit Wucht und Tiefe wieder auf die Bühne. Bellinis tragische "Norma" mit der berühmten Arie "Casta Diva" ist von dort seither nicht mehr wegzudenken.

Maria Callas und die Stimme

Schon früh lässt ihre Stimme allerdings nach. Sie kann zwar Defizite durch Intensität und Wahrhaftigkeit kompensieren, aber hörbar wird, dass die Callas auch körperlichen Raubbau betrieben hat. Die Presse, die zuvor euphorisch über die große Diva geschrieben hatte, beginnt, sie als schwierig und hysterisch zu verreißen. Dabei stehen weniger ihre Auftritte als vielmehr Boulevardthemen im Vordergrund.

Besonders ihre tragische Liebe zu dem griechischen Reeder Aristoteles Onassis, den sie 1957 kennenlernte, ist gefundenes Fressen für die Regenbogenpresse. Beide waren noch mit anderen Partnern verheiratet, als die Fotos vom Liebes-Urlaub auf der Luxusjacht des Milliardärs weltweit Schlagzeilen machten. Doch Maria, die auf ein Leben an der Seite von Onassis gehofft hatte, wird von ihm fallen gelassen - für die noch berühmtere und glamourösere Jacky Kennedy, Witwe des ermordeten US-Präsidenten John F. Kennedy.

Mit 41 Jahren beendet Callas ihre Opern-Laufbahn. Sie gibt in London noch einmal die "Tosca", mit der alles begann. Danach zieht sie sich zurück in ein einsames Leben in Paris. Als sie 1977 an einem Herzinfarkt stirbt, ist sie fast vergessen. Erst später beginnt die Nachwelt, sie und ihren künstlerischen Rang wiederzuentdecken.

Will Crutchfield, US-amerikanischer Dirigent und Musikwissenschaftler, rühmte in der "New York Times" 2021 ihre "übermenschliche Virtuosität" in schwer zu singenden Stücken und ihre große Fähigkeit, Wut, Trauer, Entschlossenheit und Ekstase auszudrücken: Genie, Magie? Er könne sich nicht entscheiden.

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